Fragen & Antworten
Wieso sich immer mehr Kinder in Bremen schminken
Puder, Eyeliner, Lippenstift: Das Internet ist voll mit Kindern, die sich schminken. Auch in Bremen ist der Trend angekommen – zum Missfallen von Hautärzten und Psychologen.
Es ist schon ein geflügeltes Wort: "Sephora Kids" – das sind Kinder, die sich, der Werbung folgend, schminken, wie man es bislang nur von Erwachsenen kannte. Ein Trend, der sich über soziale Medien wie Tiktok weit verbreitet hat. "Sephora" ist eine französische Kosmetikkette.
Inzwischen beschäftigt er auch hiesige Psychologen und ist in deutschen Hautarztpraxen angekommen. "Das hat letztes Jahr angefangen", sagt Uwe Schwichtenberg, Vorsitzender des Bremer Landesverbands Deutscher Dermatologen (BVDD). Er betont aber auch, dass Hautärzte üblicherweise "eher indirekt" davon mitbekämen: dann, wenn Kinder mit "überpflegter" Haut in die Sprechstunde kämen. buten un binnen ist dem Phänomen "Sephora Kids" nachgegangen.
Warum schminken sich auf einmal so viele Kinder und Jugendliche?
Der Bremer Kinder- und Jugendpsychiater Carsten Edert führt den neuen Trend auf eine veränderte Selbstwahrnehmung junger Menschen zurück, hervorgerufen durch Schönheitsideale, wie sie über soziale Medien verbreitet werden. Seit Corona nutzen viele junge Menschen diese sozialen Medien noch viel intensiver als zuvor. Und da sich Kinder noch leicht manipulieren ließen, seien sie für die Kosmetikindustrie eine attraktive Zielgruppe, die man leicht über entsprechende Influencer ansprechen könne.
Die Gründe für das frühe Schminken können aber auch ganz einfacher Natur sein. Buten un binnen hat darüber mit drei Zehntklässlerinnen aus Huchting gesprochen. "Ich mache das schon, seit ich ganz klein bin. Es macht mir einfach Spaß", sagt die eine. "Ich habe das bei meiner großen Schwester gesehen und fand das richtig cool", sagt die andere. Die dritte schließlich erklärt: "Meine Cousine hat mich bei meinem zwölften Geburtstag geschminkt. Das fand ich schön – und habe es dann selbst gemacht."
Welche Fehler machen Kinder und Jugendliche aus hautärztlicher Sicht besonders oft beim Schminken?
Sie schätzen ihren Hauttyp oft falsch ein, sagt der Bremer Dermatologe Uwe Schwichtenberg. Grundsätzlich unterscheide man zwischen Haut mit geringer Eigenfettung, Haut mit normaler Eigenfettung und Haut mit hoher Eigenfettung. Viele junge Menschen, die eine solche überfettete Haut hätten, glaubten, zusätzlich eincremen zu müssen. Rötungen, Schuppungen, ein Juckreiz, Papeln und Pusteln (im Volksmund: Pickel) seien die Folge: "Je reichhaltiger die Creme, die sie wählen, desto größer die Katastrophe, die sie anrichten."
Das Problem wiege umso schwerer, als viele Teenager unter einer Akne litten, also auch ohne Creme Papeln und Pusteln haben. "Akne ist die Talkdrüsen-Überfunktionserkrankung der Nachpubertät", so Schwichtenberg.
Das Gemeine daran: Das unschöne Krankheitsbild verführt die jungen Menschen dazu, ihre womöglich falsch gepflegte Haut zusätzlich mit Farbe abzudecken. Schwichtenberg spricht in diesem Zusammenhang von "Doppelfettung". "Dann darf man sich nicht wundern, wenn die Pickellei nicht aufhört."
Welche typischen Fehler beim Schminken sollten Kinder und Jugendliche außerdem vermeiden?
Einige junge Menschen greifen zu Anti-Aging-Cremes wie Vitamin A-Säure-Abkömmlinge, auch bekannt als Retinaid, hat Schwichtenberg festgestellt. Solche Präparate sorgten für eine straffere Hautstruktur sowie für ein oberflächliches Peeling, erklärt der Dermatologe: "Das ist für eine dünne, jugendliche Kinderhaut sinnfrei und auch nicht gut."
Denn die Haut werde dadurch strapaziert, was wiederum Rötungen und Ekzeme nach sich ziehen könne. Außerdem werde die Haut infolge dieser Cremes noch dünner. "Davon sollten junge Menschen die Finger lassen", sagt Schwichtenberg.
Alles, was im Anti-Aging-Bereich verkauft wird, ist für jemanden, der nicht im Aging ist, keine gute Idee.
Hautarzt Uwe Schwichtenberg
Was sollten Kinder und Jugendliche, die sich einfach gern schminken möchten, unbedingt beachten?
Sie sollten Kosmetika wählen, die zu ihrem Hauttyp passen, sagt Schwichtenberg. Wer diesbezüglich unsicher sei, könne darüber ein einmaliges Gespräch mit einem Hautarzt oder einer Hautärztin führen. Mit Blick auf Akne sagt Schwichtenberg zudem: "Wenn ich zur Akne neige, dann ist das ein therapiebedürftiges Krankheitsbild. Das ist nicht mit Tiktok zu regeln. Das ist etwas für einen Dermatologen." Wer seine Akne nicht behandeln lasse, laufe Gefahr, Narben davonzutragen, die auch noch im Erwachsenenalter zu sehen seien.
Auch solle man Haut, die von Akne betroffen ist, nicht eincremen oder färben, denn dadurch verschlimmere sich die Situation. Schwichtenberg räumt allerdings ein, dass die Krankheit unter Umständen Kompromisse erfordert: "Du kannst jemandem, der eine starke Akne hat, nicht erzählen: Da darst Du nichts drauf tun, Du musst morgen so in die Schule gehen." In solch‘ einem Fall müsse auch ein Hautarzt bereit sein, von der Lehrmeinung abzuweichen und beispielsweise wasserhaltige Pigmentlösungen zum Abdecken vorzuschlagen, die zumindest weniger Schaden anrichten als eine typische Abdeckcreme.
Gibt es auch Kosmetika, die für junge Menschen vollkommen unbedenklich sind?
Nein, sagt Schwichtenberg. Allerdings seien Kosmetika für Jugendliche mit gesunder Haut im Normalfall weniger bedenklich als etwa für solche mit einer Akne. Wer sich trotz einer solchen Krankheit unbedingt schminken wolle, solle zu Produkten greifen, die sehr wasserhaltig und weniger reichhaltig sind. Es empfehle sich in diesem Fall auch, mehr mit Puder zu arbeiten als mit Cremes.
Unabhängig davon, welche Kosmetika wer aufträgt, sieht Schwichtenberg das Hauptproblem allerdings nicht bei den Pflegeprodukten und den Schäden, die sie womöglich anrichten können. "Viel schlimmer ist das Schönheitsideal dahinter, mit dem junge Menschen über Tiktok und so dazu getrieben werden, ein Heidengeld für Kosmetika auszugeben."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. Januar 2025, 19.30 Uhr