Die traurige Geschichte der Bremer Buchhandlung Leuwer
Größen wie Rilke und Vogeler gaben sich hier die Klinke in die Hand. Was dann folgte, waren ein trauriger Tod und Raub durch die Nazis. Eine Forscherin hat die Geschichte untersucht.
Was haben eine Buchhandlung in Bremen, die legendären Luxus-Kreuzfahrtschiffe des Norddeutschen Lloyd und Künstler wie Heinrich Vogeler und Rainer Maria Rilke miteinander zu tun? Und welche Rolle spielen die Nationalsozialisten dabei? Alle diese Fragen beantwortet ein Forschungsprojekt am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven.
Alles beginnt mit 25 Gemälden und Grafiken im Bestand des Deutschen Schifffahrtsmuseums. Sie stammen aus der Buchhandlung Franz Leuwer in Bremen. "Diese Kunst- und Buchhandlung war eben der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt", sagt Provenienzforscherin Kathrin Kleibl. Sie hat die Geschichte der Buchhandlung untersucht.
Der Kunsthallendirektor ging dort ein und aus, man traf sich abends zu Lesungen, zu Musikkreisen, oben wurden die modernsten Grafiken ausgestellt, man hatte eine eigene Rahmenwerkstatt, das war der Mittelpunkt schlechthin.
Kathrin Kleibl, Provenienzforscherin
Franz Leuwer starb überraschend
1903 hatte Franz Leuwer seine Buchhandlung mit dem Löwen im Logo gegründet. Die Avantgarde – wie Rilke und Vogeler – gab sich quasi seine Klinke in die Hand. Bald unterhielt Leuwer Dependancen in den Seebädern auf den Ostfriesischen Inseln. Er bestückte exklusiv die Bordbuchhandlungen und –bibliotheken auf den Luxusdampfern des Norddeutschen Lloyd.
1916 starb Leuwer überraschend an einem Herzfehler. Seine Witwe Anni entstammte einer jüdischen Familie. Sie war Zahnärztin und keine Buchhändlerin. Deswegen übergab sie die Geschäftsführung an den bisherigen Prokuristen Carl Emil Spiegel. Der bootete sie aus, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen.
Anni Leuwer starb im KZ
Anni Leuwer wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort. Spiegel profitierte nicht nur davon, dass er die Buchhandlung so billig bekommen hatte. Er nahm auch an den sogenannten Judenauktionen teil, in denen beschlagnahmtes jüdisches Vermögen versteigert wurde.
"Ich konnte feststellen, dass er an 69 Auktionen teilgenommen hat und Objekte in immensem Wert ersteigert hat. Er hat selber gesagt, er hat über 700 Kunstwerke für fast eine Million Reichsmark in den Kriegszeiten ersteigert", berichtet Kleibl. "Insofern kann man davon ausgehen, dass er wirklich viele Kunstwerke über seinen Tisch hat gehen lassen."
An jüdischem Eigentum bereichert
Außerdem war laut Kleibl stadtbekannt, dass er Bücher aus ehemaligem jüdischen Eigentum zum Altpapierpreis aufkaufte und in seinem Laden teuer verkaufte.
Es ist schon erstaunlich, dass der Mann sich abends noch im Spiegel angucken konnte.
Kathrin Kleibl
Spiegel lebte in einem Haus in Bremen-Horn, das der Bruder von Anni Leuwer gebaut hatte. Der war Architekt und hatte auch das Karstadt-Haus gebaut, berichtet Kleiber.
Spiegel sah sich als Retter der Kunst
Die Entnazifizierung nach dem Krieg überstand er ohne Schaden an Geschäft und Ruf. Nach eigener Aussage habe er sich als Retter der Kunst gesehen, erzählt Kleibl. "Der Gedanke liegt nahe, dass er so in seiner eigenen Welt war, dass er tatsächlich gedacht hat, er hat die Kunst gerettet."
Als er 1953 starb, erschien sein Nachruf im Weser-Kurier:
Mit ihm ist ein Fachmann allerersten Ranges dahingegangen, dessen fast einmalige Kenntnisse in ganz Deutschland in hohem Ansehen standen. Carl Emil Spiegel, der übrigens auch ein guter Kaufmann war, verfügte schon über ein großes Wissen, als er, gerade 21 Jahre alt, 1902 bei der Firma Leuwer eintrat.
Nachruf auf Carl Emil Spiegel, Weser-Kurier 9. Januar 1953
Kleibl will mit ihrer Forschung aufklären. Ihr ist wichtig, dass niemand etwas vertuscht und vor allem: "Nicht falsche Tatsachen in die Welt setzt." Das Ergebnis ihrer Forschung ist im neuen Sammelband "NS-Provenienzforschung in Norddeutschland" abgedruckt.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Sonntag aus Bremerhaven, 26. Januar 2025, 10:40 Uhr