Warum eine Bremerin ein Fitnessstudio für die Psyche gegründet hat

Eine junge Frau steht mit verschränkten Armen da und lacht herzlich

Warum eine Bremerin ein Fitnessstudio für die Psyche gegründet hat

Bild: Radio Bremen | Sabine Peter

Durch einen Schicksalsschlag veränderte sich das Leben von der Bremerin Janna Rohloff für immer. Der Weg aus ihrer Krise führte zu der Gründung eines Fitnessstudios.

Janna Rohloff ist 33 Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Brustkrebs, eine aggressive Form. Zahlreiche Chemotherapien haben nicht geholfen. Zwar hat die Wahl-Bremerin ihre Mutter über vier Jahre durch den Prozess begleitet – richtig vorbereitet auf ihren Tod sei sie aber nicht gewesen, sagt sie.

Der Tod kommt immer viel zu schnell. Auf einmal ist alles anders. Eine Person ist auf einmal nicht mehr da, das kann man nicht rückgängig machen.

Eine Frau blickt lächelnd in die Kamera
Janna Rohloff, Gründerin von "Brynja"

Nicht nur ihre Psyche, auch ihr Körper reagiert intensiv auf den Verlust. Ihre Mutter sei für sie wie eine enge Freundin gewesen, sagt die heute 38-Jährige. "Ich hatte Schlafstörungen, Verspannungen, dolle Schmerzen. Und ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Ich hatte nicht mehr Einfluss darauf, wie mein Körper funktioniert." Für Janna Rohloff eine Krisensituation.

Resilienz hilft bei Schicksalsschlägen

Wie gut Menschen psychisch mit Belastungen umgehen können, beschreibt der Begriff Resilienz. Resiliente Menschen bewältigen Schicksalsschläge besser und lassen sich nicht so leicht aus der Bahn werfen. Dass Resilienz unterschiedlich ausgeprägt ist, hat für Peter Bagus auch biographische Ursachen. "Es hängt sehr davon ab, welche Vorerfahrungen man mitbringt", erklärt der Leiter der Klinik Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Bremen-Ost.

Gute zwischenmenschliche Erfahrungen und Erfahrungen der eigenen Selbstwirksamkeit stärken die Resilienz. Wenn jemand eine krisengeschüttelte frühe Kindheit hatte – mit wenig verlässlichen Strukturen, Wechseln von Bezugspersonen und sonstigen Schicksalsschlägen – wird es schwerer, Krisen zu meistern.

Mann, ca. Mitte 50, dunkle Augen, mit Oberlippenbart vor weißem Hintergrund guckt in Kamera
Peter Bagus, Leiter der Klinik Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Bremen-Ost

Und: Besonders anfällig für Krisen seien Menschen in Phasen des Wandels und Übergangs im Leben, sogenannten Schwellensituationen. Dazu gehört etwa der Lebensabschnitt des Auszugs aus dem Elternhaus, der Einstieg ins Berufsleben, aber auch der Eintritt ins Rentenalter.

Halt durch den Freundeskreis

Janna Rohloff ist während ihrer Krise nicht alleine. Sie sucht sich Unterstützung, spricht viel mit Freundinnen und Freunden, die ebenfalls schon einen Elternteil verloren haben. Psychotherapie und körpertherapeutische Sitzungen, also das Arbeiten mit Bewegungs- und Entspannungsübungen, helfen. Gerne würde sie auch an Bremer Selbsthilfegruppen teilnehmen, fühlt sich dort aber nicht gut aufgehoben: Der Altersdurchschnitt ist ihr zu hoch.

"Ich kam aus dem Gesundheitsbereich, bin ja Ergotherapeutin, und trotzdem habe ich kaum Sachen gefunden, die mich angesprochen haben", sagt sie. Und die körpertherapeutischen Sitzungen gehen ins Geld. Sodass in ihr eine Idee reift. 

Die Gründung von "Brynja"

Aus der Krise heraus gründen, und zwar ein Fitnessstudio für die Psyche. Einen Raum, der die Angebote für Körper und Geist miteinander verbindet – niedrigschwellig und auch für den kleinen Geldbeutel. 2022 gründet Janna Rohloff Brynja, einen Verein, der heute etwa therapeutisches Boxen und Selbsthilfegruppen, zum Beispiel für Menschen mit AD(H)S, anbietet.

Ergänzt wird das Angebot durch kulturelle Angebote wie den "One-Day-Chor", also eine einmalige mehrstündige Chorprobe. "Ich wollte eine Mischung aus einem Kulturzentrum und einem Fitnessstudio für die Psyche schaffen", sagt sie, "ein Angebot, dass vor allem auf junge Erwachsene ausgerichtet ist."

Gemeinsam stark

Im Fokus: die Gemeinschaft, der Austausch. Einzelangebote gibt es bei "Brynja" nicht, alles findet in der Gruppe statt. Selbsthilfegruppen hätten heutzutage zwar ein eher schlechtes Image, könnten aber sehr wertvoll sein. Etwa durch die Erfahrung, nicht alleine mit seinem Thema zu sein – sondern andere Menschen zu treffen, die dasselbe fühlen oder erlebt haben. Diagnosen und Überweisungen vom Arzt braucht "Brynja" nicht. Es reicht der Wunsch, teilnehmen zu wollen.

Ich denke, das ist was, was gerade in dieser Zeit, die sehr schwierig ist, umso wichtiger ist. Dass wir uns nicht alleine im kleinen Kämmerlein mit unseren Dingen auseinandersetzen, sondern in Gruppen gehen, in Austausch gehen. Und darin auch viel lernen, uns gegenseitig unterstützen können.

Eine Frau blickt lächelnd in die Kamera
Janna Rohloff über ihr Fitnessstudio für die Psyche

Seine Gedanken und Sorgen mit anderen zu teilen und den Kontakt zu wichtigen Menschen suchen – das empfiehlt auch Peter Bagus in Krisensituationen. Um die eigene Resilienz zu stärken, helfe es auch, sich auf seine Stärken zu besinnen. "Sich klar zu machen, was man schon alles bewältigt hat", sagt der Chefarzt. "Das kann gefestigt werden durch das Erlernen von Entspannungstechniken zum Stressabbau."

Der Blick nach vorne

Janna Rohloff hat heute das Gefühl, dass sie durch den Verlust ihrer Mutter gewachsen ist. Sie habe sich selbst besser kennengelernt und etwas aus der Krise lernen können, sagt sie. Das liege aber auch an ihrem Zugriff auf Ressourcen – Privilegien wie ein Psychotherapieplatz, enge Freundschaften, Zeit für Reflektion. Für die Zukunft wünscht sie sich eine Enttabuisierung von psychischen Krisen: "Sodass es normal oder zumindest bekannt ist, dass man nicht nur zum Fitnessstudio für den Körper, sondern auch für die Psyche gehen kann."

 

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Autorin

  • Autorin
    Sophia Allenstein

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 19. Januar 2024, 13:40 Uhr