Interview
Oliver Mommsen ermittelt wieder: Küsten-Krimi "ist Sechser im Lotto"
Oliver Mommsen kehrt als TV-Ermittler zurück. Was in "Mord oder Watt?" anders ist als im Tatort und wie er seine Bremer Zeit in Erinnerung hat, erzählt er im Interview.
Vier Jahre nach seinem Abschied als Bremer Tatort-Kommissar Nils Stedefreund ermittelt Oliver Mommsen wieder für Radio Bremen. Die neue Krimikomödie "Mord oder Watt? Ebbe im Herzen" wurde in Bremerhaven und Cuxhaven gedreht. Darin spielt Mommsen den abgehobenen Schauspieler Tim Seebach, der den fiktiven TV-Kommissar "Lux" gespielt hat. Seebach verschlägt es in die Heimat – an die beschauliche Küste – und dort beginnt er privat und ungebeten in mehreren Todesfällen zu ermitteln. Dabei gerät er mit einer echten Polizistin aneinander.
Das Erste zeigt den Film am Freitagabend um 20:15 Uhr. Teil zwei ist bereits in Arbeit.
Herr Mommsen, willkommen zurück.
Danke, schön wieder zurück zu sein.
Zurück im Nordwesten, wo Sie 18 Jahre lang im Tatort ermittelt haben – hat sich irgendetwas verändert?
Soll ich ganz ehrlich sein? Nichts. Jens von Bremen Eins hat einen neuen Pulli, aber ansonsten? (lacht) Ich war schon öfters wieder da, zuletzt bei "Sommer in Lesmona". Es sind immer wieder irgendwo Erkennungsmale. Am schlimmsten ist es, wenn man durch die Stadt läuft und denkt: Da lag ein Toter, hier lag eine Tote, da haben wir ermittelt, da haben wir gedreht. Hier gehen ganz viele Erinnerungen an.
Vier Jahre ist es her, dass Sie den Tatort verlassen haben, war es wirklich genau der richtige Zeitpunkt auszusteigen?
Inhaltlich und was meinen Beruf betrifft, war es genau der richtige Zeitpunkt. Weil ich zu glauben begann, ich wüsste jetzt wie der Hase läuft. Und dann merkte ich plötzlich, dass ich ein bisschen laid-back wurde, nicht mehr so richtig mit Nuss im Arsch und auf den Fußballen, sondern: "Joa, das kann ich". Das respektiere ich an Kollegen und Kolleginnen nicht und bei mir schon mal gar nicht. Also war das der richtige Zeitpunkt zu gehen.
Was vermissen Sie an der Tatort-Zeit in Bremen?
Ich vermisse alles, was wir gemacht haben. Das Team, unsere familiären Verhältnisse. Ich vermisse Sabine (Tatort-Kollegin Sabine Postel alias Inga Lürsen, Anm. d. Red.) ganz krass. Wir haben privat nicht wirklich viel miteinander geschafft, aber wenn die kleine Blondine neben mir stand und ich meine Lederjacke anhatte, das war wie so ein Schalter, der umgelegt wurde. Das fehlt mir. Vielleicht kriegt man das irgendwann mal wieder hin, dass wir uns nebeneinander stellen. Ich habe sie zuletzt auf der Berlinale gesehen. Das ist immer ein großes Hallo. Dann wird sich schnell abgeglichen und dann ziehen wir weiter.
Ich bin viel in Bremen, mehr als ich dachte. Durch "Mord oder Watt?" kriegt ihr mich sowieso nicht mehr weg.
Oliver Mommsen, Schauspieler
Lassen Sie uns über den neuen Film sprechen, der rund um Bremerhaven und Cuxhaven entstanden ist, eine Krimikomödie. Sie spielen den Schauspieler Tim Seebach, der mal einen Kommissar gespielt hat – Ironie des Schicksals?
Ja, das ist ein Sechser im Lotto. Susanne Wolfram, die Produzentin, kam vor vielen Jahren auf der Berlinale zu mir und sagte: Herr Mommsen, ich gehe bald in Rente und ich mache noch einen Film – und den mache ich mit Ihnen. Ich sagte: Oh, jetzt haben Sie meine Aufmerksamkeit. Dann erzählte sie diese Geschichte, dass ein erfolgreicher TV-Kommissar gerne mal Realität und Fiktion verwechselt und auch im Alltag weiter ermittelt. Da dachte ich okay, mit dieser Überhöhung, mit dieser Metaebene, mit diesem Augenzwinkern – jetzt habe ich wieder Bock aufs Ermitteln.
Da kann ich die ganzen Erfahrungen, die ich hier jahrelang gesammelt habe, nehmen und nicht ganz so ernst, weil es wirklich eine Krimikomödie ist. Der Fall ist zwar da, aber es geht vielmehr um die Menschen und um den Spaß, den man um die Leiche herum hat. Die erste Leiche ist meine Mutter, das ist nicht ganz so witzig. Aber auch da funktioniert das Prinzip. Anstatt zu trauern, fängt Tim Seebach an zu ermitteln. Er sagt: Moment mal, Gesichtsfärbung, Folge 539, ja, das war Gift. Er nimmt seine Erfahrung aus den Fällen und meint, deswegen ermitteln zu können. Sehr zum Leidwesen der richtigen Polizei.
Mit der Kommissarin gibt es Clinch. Das lässt an die Anfangszeit im Bremer Tatort erinnern – da ist es ja auch nicht immer ganz harmonisch gelaufen ...
Nee, Annette Strelow, unsere Redakteurin – die auch Redakteurin des ersten Films von "Mord oder Watt?" ist – war immer unter Alarm gesetzt, sobald Sabine und ich drohten, händchenhaltend durch Bremen zu hüpfen und zu ermitteln. Es musste immer irgendwas zwischen Stedefreund und Lürsen sein. Am Anfang hatten wir das Assistentengefälle. Sie war immer die emotionale Intelligenz und Stedefreund der Kühlere. Beim Tatort "Hochzeitsnacht" dreht er total durch und da sagte Anette Strelow, jetzt kippt es. Dann waren wir in Waage und fingen an, auf Augenhöhe zu agieren. Aber immer noch grundverschieden. Das macht Spaß.
Das haben wir im "Mord oder Watt?" mit Wiebke, der wirklichen Polizistin, gespielt von Antonia Bill, die den Satz sagt: Entschuldigung, nur, weil Sie mal gelernt haben, wie man eine Plastikwaffe trägt, glauben Sie, in einem Mordfall ermitteln zu können – ich glaube, es hackt! Von diesem Spannungsbogen lebt unsere neue Krimi-Situation.
Der Typ, den sie spielen, ist auch ein bisschen selbstgefällig, oder?
Der ist eitel, größenwahnsinnig – im schönsten Sinne überheblich. Aber auf eine Art und Weise, wo du weißt, wo es herkommt. Er ist sehr erfolgreich, wird überall erkannt. Das hat etwas mit ihm gemacht, er hat ein bisschen die Bodenhaftung verloren.
Wir arbeiten mit einem Trick: Wir haben aus Bremerhaven und Cuxhaven die schönsten Orte genommen und bauen uns einen imaginären Ort, der heißt Westerfleth.
Oliver Mommsen, Schauspieler
Jedes Mal, wenn er nach Westerfleth zurückkommt, weil seine Mutter dort lebt, erdet ihn das. Die Leute dort spielen dieses Star-Spielchen nicht mit. Da läuft er gegen Wände, vor allem bei Hannah, gespielt von Ulrike Tscharre, in die er sich ordentlich verguckt. Die erkennt ihn gar nicht und weiß nicht, wer er ist. Das tut ihm gut. Dieses Spielchen: "Sie kennen mich aus dem Fernsehen", "Nö, ich gucke kein Fernsehen" – das ist einer unserer Schätze.
Das ist für mich als Schauspieler und ehemaliger Tatort-Kommissar eine Bank. Da kann ich aus einigen Erfahrungen schöpfen. Wollen Sie fragen, ob ich selber aufgeblasen und arrogant bin? Ja. (lacht) Ich neige auf jeden Fall auch zu Größenwahn.
Werden Sie noch auf den Tatort angesprochen oder ist das langsam erledigt?
Ganz, ganz süß ist, dass viele Leute sagen: Ihr fehlt uns. Wir sind ja ausgestiegen, als man uns noch mochte. Wir haben es nicht so weit getrieben, dass die Leute sagten: Wann knallt ihr euch endlich gegenseitig ab? Ein Grund auch, warum ich gesagt habe, ich muss jetzt auch karriere- oder markenmäßig als Schauspieler aufpassen. Ich wurde auf der Straße angesprochen: Ah, Stedefreund. Mittlerweile ist es seit anderthalb Jahren: Ah, Oliver Mommsen.
Ich habe meinen Namen wieder zurück. Das ist besser. Ich bin ja nicht angetreten, um hauptberuflich Kriminalkommissar bei der Mordkommission zu werden. Sondern ich bin freiberuflicher Schauspieler. Ich durfte seitdem so bunt und verrückt und viel drehen, auch Theater. Insofern war es richtig. Man wurde schon sehr mit dieser Marke verbunden. Und ich mag es nicht, wenn ich vereinnahmt werde.
Das Interview führte Nikolas Golsch, aufbereitet von Joschka Schmitt.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 10. November 2023, 6:40 Uhr