Interview
Bremer Radiologin: Mammographie-Screening kann Leben retten
Mit zunehmenden Alter steigt das Risiko an Brustkrebs zu erkranken. Umso wichtiger ist die richtige Vorsorge. Ab Juli haben mehr Frauen Anspruch auf die Untersuchung.
Eine von acht Frauen in Deutschland erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs. Mit über 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist es die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Bisher hatten sechs Millionen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren Anspruch auf ein kostenloses Brustkrebs-Screening. Bei sechs von 1.000 Frauen konnte so Brustkrebs rechtzeitig erkannt werden.
Ab Juli ist diese Untersuchung auch für Frauen zwischen 70 und 75 Jahren möglich. Allerdings müssen sich die Frauen selber melden. Die Bremer Radiologin Susanne Wienbeck erklärt, warum sie jeder Frau raten würde, dieses Angebot auch anzunehmen.
Die Mammographie hat auch ihre Risiken. Das eine ist die Strahlenbelastung. Wie hoch ist die?
Wir haben immer eine natürliche Strahlenbelastung von 2,4 Millisievert. Und die Strahlenbelastung ist gerade mal ein Zehntel, was jeden Menschen umgibt an Röntgenstrahlung. Das heißt, es ist total zu vernachlässigen. Ungefähr 0,4 Prozent der Frauen würden dann überhaupt an Brustkrebs durch die Strahlung versterben. Es ist also vernachlässigbar und fällt nicht ins Gewicht.
Gibt es einen Grund, dass Frauen über 70 diese Untersuchung schlechter verkraften als Frauen unter 70?
Nein, das ist eher von Vorteil, weil das Brustkrebsrisiko steigt mit dem Alter und eine ältere Frau verkraftet das genauso gut. Das hat mit dem Alter gar nichts zu tun.
Gibt es schonende Untersuchungen, die den gleichen Effekt haben und die manche vielleicht vorziehen würden, die ähnlich gut sind?
Momentan ist qualitätsgesichert und standardisiert das Mammographie-Screening. Es gibt natürlich additive Verfahren, die wir auch anwenden – wie den Ultraschall oder das MRT der Brust. Das sind aber alles Verfahren, die derzeit nicht im qualitätsgesicherten Screening-Verfahren zur Geltung kommen. Man muss abwarten, ob das in Zukunft vielleicht einen höheren Stellenwert bekommt – vielleicht auch im Hinblick auf eine individualisierte Brustkrebsfrüherkennung. Aber im Moment sind das keine Verfahren, die den Stellenwert der Mammographie bekommen.
Wie treffsicher ist die Diagnose per Mammographie?
Die Diagnose ist sehr genau. Sie können, wenn sie eine Mammographie anfertigen, mit 90-prozentiger Sicherheit sagen, dass die Frau zum Status X, wenn sie jetzt kommt, keinen Brustkrebs hat, wenn die Untersuchung stattfindet.
Es gibt aber auch viele Vorbehalte gegenüber Mammographien. Dass man beispielsweise falsch positiv diagnostiziert wird oder vielleicht sogar falsch negativ – was heißt das genau?
Das sind natürlich Punkte, die in jedem Früherkennungsprogramm vorkommen – nicht nur bei der Mammographie. Falsch-positive sind im Grunde Befunde, das sind Auffälligkeiten im Röntgenbild der Mammographie, die wir sehen und nicht einordnen können, ob es ein gutartiger oder ein bösartiger Befund ist.
Da wird die Frau natürlich nochmal eingeladen zur Abklärungsdiagnostik bei uns ins Medicum und dann erhält sie noch Zusatzdiagnostik. In der Regel ist das ein Ultraschall und dann werden noch Zusatzuntersuchungen durchgeführt. Das Risiko einer falsch-positiven Diagnostik ist sehr gering – also von 1.000 Frauen sind es vielleicht 24 Frauen (2,4 Prozent), die zusätzlich falsch-positive Befunde haben.
Falsch-positiv ist ja am Ende eine gute Nachricht, aber was ist mit falsch-negativen Befunden?
Falsch-negative Befunde wären dann im Grunde Befunde, entweder sehr schnell wachsende Tumore, die zwischen zwei Screenings, also innerhalb von zwei Jahren auftreten und die wir gar nicht vermeiden können.
Und das sind natürlich auch Befunde, die klein sind und vielleicht verdeckt sind in der Mammographie und die wir mit dem Verfahren nicht erkennen können. Auch diese können auftreten. Der letzte Punkt wäre die Überdiagnostik, da ist immer die Frage verstirbt die Frau wirklich an Brustkrebs oder an einer anderen Todesursache?
Sie würden also jederzeit zu einer Mammographie raten?
Ja, unbedingt. Ich kann das wirklich allen Frauen nur raten, dass wenn die Ausweitung auf 75 Jahre ab Juli kommt, dass sie dann das Programm auch anwenden, um möglichst früh Brustkrebs zu entdecken, weil die Brustkrebssterblichkeit durch die Anwendung des Screenings 20 Prozent sinkt. Von daher ist ein deutlicher Effekt zu sehen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Juni 2024, 19:30 Uhr