Interview
Lehrermangel in Bremen: "Werden Grundbedarf decken können"
Bremen bittet alle Lehrkräfte, mehr zu arbeiten, weil zu viele Stellen offen sind. Der zuständige Staatsrat erklärt, wie es zu diesem Hilferuf gekommen ist.
In Bremen sind so viele Lehrstellen unbesetzt, dass die Bildungsbehörde Anfang August einen ungewöhnlichen Hilferuf an ihre Lehrkräfte gerichtet hat: Sie fragt, ob sich die Lehrkräfte vorstellen können, mehr zu arbeiten. Ob sie derzeit in Teil- oder Vollzeit arbeiten, spielt keine Rolle. Bisher hat es laut Bildungsressort 18 Rückmeldungen gegeben. Was sich die Behörde davon erhofft, erklärt der zuständige Staatsrat Torsten Klieme im Interview mit buten un binnen.
Wie viele Lehrkräfte fehlen für das neue Schuljahr noch?
Die genaue Zahl kann ich Ihnen noch gar nicht sagen. Die werden zum Schuljahresanfang bekannt gegeben. Wir haben die ganzen Ferien intensiv gearbeitet, um noch weiteres Personal zu akquirieren, jeden Stein umzudrehen, um möglichst einen guten Schuljahresstart für alle Schulen zu gewährleisten.
18 Rückmeldungen gab es bisher. Selbst wenn die alle positiv sein sollten, werden die wohl nicht reichen?
Das sollten Sie auch überhaupt nicht. Ich glaube, dass die Eltern und Schüler in diesem Land schon von uns als Bildungsverwaltung erwarten können, dass wir tatsächlich alles tun, alle Möglichkeiten ausschöpfen, alle Instrumente nutzen, um so viel wie möglich qualifiziertes Arbeitsvermögen in die Schulen zu bringen. Und an dieser Stelle ist das eins von ganz vielen Instrumenten, die wir einsetzen.
In dem Schreiben an die Lehrkräfte ist davon die Rede ist, dass wohl nicht allen Kindern auch eine Klassenleitung zur Verfügung gestellt werden kann. Das klingt sehr alarmierend.
Also, da müssen Sie nicht alarmiert sein. Ich glaube, wir haben ein ziemlich gutes Niveau erreicht. Wir werden an allen Schulen am nächsten Donnerstag zuverlässig den Grundbedarf abdecken können. Dazu gehört, dass Klassenleitungen für Klassen vorhanden sind. Das werden wir an allen Schulen hinkriegen.
Und wo kommen dann diese Lehrkräfte her? Entstehen nicht Löcher, wenn Sie Lehrkräfte verschieben?
Das ist natürlich richtig, dass Personalmaßnahmen oder Personalausgleich kein zusätzliches Personal schaffen. Deswegen ist das auch eine Maßnahme, die zum Ausgleich geeignet war.
Wir reißen damit keine Löcher. Sondern wir haben Schulen, an denen die Ausstattung besser ist und auch die Möglichkeit bestand, dort Personal zu entbehren. Wir haben mit den Schulleitungen und Kollegen gesprochen. Und haben diese Personalmaßnahmen dann auch größtenteils einvernehmlich umsetzen können.
Torsten Klieme, Staatsrat für Bildung
Dass, was wir wirklich tun müssen, um die vielen Schülerinnen und Schüler tatsächlich mit Lehrkräften zu versorgen, muss natürlich vor allen Dingen über zusätzliches Personal – also über Einstellungen – geschehen.
Und natürlich auch über das Ausschöpfen von Potenzial unserer vorhandenen Beschäftigten. Wir haben viele Beschäftigte, die in Teilzeit arbeiten. Und deswegen finde ich es völlig in Ordnung, dass wir auch nachfragen, ob Kolleginnen und Kollegen freiwillig und bezahlt für einen gewissen Zeitraum mehr arbeiten wollen.
Es war auch viel davon die Rede, dass die Lehrkräfte sowieso überlastet sind. Könnte die Qualität des Unterrichts jetzt leiden?
Also diese Befürchtung habe ich nicht. Wir machen keine verordnete Teilzeit. Wir zwingen niemanden dazu. Es ist eine freiwillige Frage. Und ich glaube, akademisch ausgebildete Lehrkräfte können gut einschätzen, was sie sich zumuten können oder nicht. Die machen die zwei Stunden mehr in genau derselben guten Qualität wie sie es auch den restlichen Unterricht machen.
Das Schreiben kommt ja jetzt recht kurz vor Schulbeginn. War nicht schon vorher absehbar, dass es so große Lücken geben wird?
Man kann sich darüber streiten, ob wir den Brief nicht zwei oder drei Wochen vorher hätten schicken können. Wichtig ist, dass wir ihn jetzt verschickt haben und dass wir auch dieses Instrument nutzen.
Wie schnell könnten die Freiwilligen denn eingesetzt werden?
Also ich glaube, da sind wir ziemlich schnell. Das ist ja auch keine wirklich richtig große Sache, wenn jemand zwei oder drei Stunden mehr arbeiten will. Überwiegend werden das wahrscheinlich auch Kollegen an den Schulen sein, wo wir den Bedarf auch tatsächlich haben, sodass es nicht eine extra Personalmaßnahme ist.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. August 2023, 19:30 Uhr