Warum Gemälde des Bremer Kunstvereins in Russland verloren gingen
In 200 Jahren Kunstverein ist eine Menge passiert. Die drei spektakulärsten Geschichten lesen Sie hier.
1823 – in diesem Jahr gründete sich offiziell der Kunstverein. Inzwischen ist die Kunsthalle als Ausstellungsort Bremens wichtigste Anlaufstelle. "Vielleicht feiern wir den Geburtstag aber auch gerade sechs Jahre zu spät", erklärt die Kunsthistorikerin Mara-Lisa Kinne. "Ab 1817 gab es bereits den Versuch, etwas wie den Kunstverein zu schaffen."
In der Nähe der Domsheide habe es den ersten Vorläufer gegeben – mit Leseecke. Kinne hat die Ausstellung "Kunst Vereint" zum 200-jährigen Jubiläum kuratiert. Sie hat sich intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt und erzählt die spannendsten Anekdoten.
1 Die Anschaffung der Statue Psyche
Heute zeigt die Kunsthalle in ihren Ausstellungen Werke aus ihrer eigenen Sammlung und Leihgaben, die nach der Ausstellung an ihre Besitzerinnen und Besitzer zurückgehen. Aber das war nicht immer so. In den ersten Jahrzehnten habe der Kunstverein Verkaufsausstellungen organisiert, so Kinne. Doch eine Statue kaufte niemand: Carl Steinhäusers "Psyche". Und zwar weil sie mit 1.300 Talern viel zu teuer war. Andere Kunstwerke hätten damals um die 100 Taler gekostet.
"Weil die Statue aber so beliebt war und viele den Bremer Künstler mochten und unterstützen wollten, wurde 1847 ein Aufruf gestartet. Daraufhin sammelten 73 Bremerinnen und Bremer das Geld zusammen, um 'Psyche' gemeinsam zu kaufen", erzählt die Kunsthistorikerin. Quasi ein historisches Crowdfunding-Projekt.
2 Die verschollenen Bilder
Diese Geschichte ist ein wahrer Krimi: "Wegen der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg wurden teure Werke in geschützten Orten untergebracht. Einer davon war das Schloss Karnzow. Doch dieses wurde von Soldaten der Sowjetunion, aber auch der deutschen Bevölkerung geplündert", erzählt Kinne.
Einer, der während er Plünderung vor Ort war: der Soldat und Architekturstudent Viktor Baldin. Er habe sich die Zettel auf dem Boden genauer angeschaut und mit seinen Kunstgeschichtskentnissen einige Namen erkannt: Rembrandt zum Beispiel. Daraufhin habe er versucht, seine Vorgesetzten dazu zu überreden, die herumfliegenden Grafiken einzusammeln – ohne Erfolg. Also habe er sich selbst nachts mit einer Kerze in das Schloss gesetzt und 362 Grafiken sowie zwei Gemälde zusammengesucht.
"Baldin hat die Werke anfangs bei sich zuhause gelagert, dann hat er sie einem Museum übergeben", sagt Kinne. 1989 habe er dann Kontakt zu der Kunsthalle aufgenommen und über die verlorenen Bilder aufgeklärt. Viktor Baldin selbst sei in den 1990ern verstorben. Bis heute habe die Rückgabe der Bilder aus Russland nicht geklappt.
3 Die Blockbuster-Ausstellung zu Van Gogh
"Anfang der 2000er gab es eine Zeit, in der die Menschen Schlange standen, um Ausstellungen zu sehen", so Kinne. Die Ausstellung "Van Gogh: Felder." erreichte 2002 viel mehr Menschen, als die Museumsleitung geplant habe – und sei deutschlandweit nach der documenta die meistbesuchte Ausstellung in diesem Jahr. Gerechnet habe die Kunsthalle mit 150.000 – gehofft auf 170.000. Mit 332.000 Besucherinnen und Besuchern war sie dann die bestbesuchte Ausstellung in der Geschichte der Kunsthalle.
"Die Schlangen waren so lang, dass wir sogenannte Schlangenbeschwörer hatten – also Mitarbeiter, die Bonbons verteilt haben oder erklärt haben, wie lange es noch ging", erinnert sich auch die stellvertretende Direktorin Dr. Dorothee Hansen, die damals die Ausstellung kuratierte. Aus ganz Deutschland reisten Menschen für die Ausstellung an. Der größte Anteil seien Tagesgäste gewesen, die einen Weg von bis zu 350 Kilometer hinter sich hatten, berichtet die Oldenburgische Volkszeitung 2003.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. April 2023, 19:30 Uhr