Interview

Soziologe über Macklemore-Songtexte: "Klar antisemitische Aussagen"

Der Rapper Macklemore steht auf einer Bühne und hebt den linken Arm.

Verband warnt Juden wegen Rapper vor Besuch des Deichbrand-Festivals

Bild: dpa | Nuno Cruz

Der Zentralrat der Juden warnt vor dem Festival-Besuch in Nordholz. Der Grund: US-Rapper Macklemore. Soziologe Lukas Geck erklärt, was hinter den Antisemitismus-Vorwürfen steckt.

Das Deichbrand-Festival in Nordholz soll kein sicherer Ort mehr für Jüdinnen und Juden sein – zumindest wenn es nach der Einschätzung des Zentralrats der Juden in Deutschland geht. Der Grund ist der geplante Auftritt des US-Rappers Macklemore als Headliner des Festivals.

Der Zentralrat der Juden wirft Macklemore vor, antisemitische Propaganda zu betreiben und den Holocaust zu relativieren. Was ist da dran? 

Zunächst einmal ist es wichtig, sich mit dem Fall auseinanderzusetzen, da Macklemore sich seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober sehr stark israelfeindlich positioniert hat. Er war auf Kundgebungen und Demonstrationen in den USA aktiv, auch als Sprecher auf der Bühne. Und er hat sich stark auf Social Media geäußert. Da ging es auch um Solidarität mit Palästina. Man hat aber relativ schnell gemerkt, dass es sich nicht nur um das Leid der Palästinenser dreht; stattdessen schlug es um in Hass gegen Israel.

Das hat er dann auch vertont in inzwischen drei Protestsongs. Alle diese Songs sind eindeutig israelfeindlich und wirken verharmlosend gegenüber Terror. Die Hamas findet in seinen Äußerungen nicht statt – genauso wie der 7. Oktober. Das ist eine sehr einfache dämonisierende Sprache, die er verwendet, mit Buzzwords wie "Apartheidstaat Israel" und "Colonizer"; er wirft Israel einen Genozid vor und bedient sich dabei auch holocaust-relativierender Sprache – zuletzt im Video zum Lied "Fucked Up", in dem Bilder von einem Jungen aus dem Warschauer Ghetto und einem aus dem Gazastreifen gegenübergestellt werden.

Die Hamas findet in seinen Äußerungen nicht statt – genauso wie der 7. Oktober.

Sozialwissenschaftler Lukas Geck

Er hat aber auch anderswo Aussagen gemacht, die als holocaust-relativierend angesehen werden können, beispielsweise letztes Jahr bei einem Konzert in Mönchengladbach. Dort hat er gesagt, dass die einzige Lehre, die man aus der Shoa ziehen könne, sei, dass man sich heute gegen den angeblichen Genozid Israels wendet. 

Wie bewerten Sie die Gegenüberstellung von Bildern aus dem Holocaust und aus den Palästinensergebieten?  

Es ist problematisch, solche Gleichsetzungen zu verwenden, da der Holocaust ein singuläres Ereignis, ein Zivilisationsbruch war. Und diese Einzigartigkeit des industriellen Massenmords an Jüdinnen und Juden wird damit geleugnet. Man muss sich fragen, warum diese Gleichsetzung stattfindet: Der Holocaust wird instrumentalisiert, um Israel zu dämonisieren. Natürlich sind die Militäraktionen in dem Ausmaß, in dem sie stattfinden, zu verurteilen – und es gibt ja auch Proteste dagegen in Israel. Aber die Art und Weise, wie Macklemore dies tut, ist hoch problematisch. 

Im Song "Hind’s Hall 2" fällt die in Deutschland teils strafbare Parole "From the river to the sea, Palestine will be free". Was ist daran problematisch? 

Dieser Slogan wird in pro-palästinensischen Kreisen und auf Demonstrationen sehr oft verwendet. Es wird oft behauptet, dass Palästina von Unterdrückung und Leid befreit werden müsse. Eigentlich impliziert diese Aussage aber, dass Palästina frei von Israel sein soll. Das bedeutet, dass der jüdische Staat von der Landkarte verschwinden soll – eben zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer. Das wird häufig negiert und es gibt durchaus Debatten um den Satz. Aber letztlich wird er von vielen Organisationen, von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so eingeordnet, dass Israel verschwinden soll. 

Sie haben Begriffe wie "israelfeindlich", "Israelhass" und "Terror verharmlosend" verwendet, aber nicht direkt "antisemitisch". Ist Macklemore Antisemit? 

Die holocaust-relativierenden Aussagen bewerte ich als klar antisemitisch. Ich würde aber nicht den nächsten Schritt gehen und behaupten, Macklemore sei Antisemit. Dafür müsste man sich noch viel mehr mit seiner Person auseinandersetzen. Aber es gibt Anhaltspunkte, mit denen man sich beschäftigen muss. Man muss immer ganz genau abwägen, wann der Begriff Antisemitismus verwendet wird.

Es bringt nichts, jemanden einfach als Antisemiten zu beschimpfen. Wir müssen genau hinschauen, was genau gesagt wird, was die Songtexte und was die Bildsprache in den Videos beinhalten, was auf Konzerten geäußert wird.

Sozialwissenschaftler Lukas Geck

Es mangelt ganz eklatant an der Auseinandersetzung. Genau das sehen wir beim Deichbrand-Festival: Er wird als Headliner verkündet und der Zentralrat der Juden warnt dann vor einem Besuch. Wenn man ein Festival oder eine andere Veranstaltung organisiert, sollte man sich schon vorher mit den Musikerinnen und Musikern auseinandersetzen. Gerade im Fall von Macklemore hätte es schon gereicht, auf seinen Instagram-Account oder Youtube-Kanal zu schauen. Da sticht es einem sofort ins Auge, dass problematische Äußerungen gefallen sind, die zumindest mal diskutiert werden müssen. Das findet in den allerwenigsten Fällen statt. Veranstalter und andere Akteure der Musikbranche müssen sich viel mehr mit dem Thema auseinandersetzen.  

Hat Macklemore eine große antisemitische Fanbasis, die zum Deichbrand kommen könnte? 

Inwiefern die Fanbasis antisemitisch ist, kann ich nicht beurteilen. Aber gerade die Debatte, ob er auftreten darf, könnte Macklemore selbst nutzen, um sich als Opfer zu inszenieren. Das hat er auch schon in seinen Songs gemacht, wo er behauptet, dass es nicht mehr möglich sei, sich kritisch zu äußern. Das ist aber offensichtlich nicht wahr, denn er hat immer noch Millionen von Followern, von Klicks, veröffentlicht Lieder und kann sich frei äußern – ohne Repressionen. Aber möglicherweise werden Fans aus Solidarität zu Macklemore zum Festival kommen. 

Müsste der Auftritt abgesagt werden?

Ich glaube, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist. Man hätte sich vorher mit der Sache auseinandersetzen müssen – das gilt für alle Veranstalter und Festivals. Jetzt ist es wahrscheinlich zu spät, das Konzert abzusagen. Wir haben es zuletzt bei Roger Waters (Anmerkung der Redaktion: ehemaliges Mitglied der Band Pink Floyd, dem ebenfalls antisemitische Aussagen zur Last gelegt werden), dessen Konzert in Frankfurt trotz Klagen nicht abgesagt wurde. Wir werden damit leben müssen, dass Macklemore auf dem Deichbrand auftreten wird.  

Das Interview führte Carolin Henkenberens für buten un binnen. Aufgeschrieben und redigiert von Robert Otto-Moog.

Mehr zum Thema:

Autorin

  • Carolin Henkenberens
    Carolin Henkenberens Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Bremen Zwei, 9. April 2025, 15:20 Uhr