Fragen & Antworten

Wer ist der salafistische Imam, den Bremen ausweisen will?

Ein Passant geht in Bremen am Islamischen Kulturzentrum vorbei. (Archivbild)

Bremer Gericht entscheidet: Wird Salafisten-Prediger ausgewiesen?

Bild: dpa | Carmen Jaspersen

Die Bremer Innenbehörde will, dass Abbes Chihi das Land verlässt. Seine Predigten gefährdeten die Sicherheit und Demokratie. Fragen und Antworten zu den Hintergründen.

Die Bremer Innenbehörde stuft Abbes Chihi als Hassprediger ein und will, dass er Deutschland verlässt: Er sei durch seine Äußerungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die Demokratie. Er selbst beruft sich auf die Meinungs- und Religionsfreiheit. In der ersten Instanz hatte der Mann vor dem Verwaltungsgericht Recht bekommen.

Wer ist der Mann?

Abbes Chihi ist tunesischer Staatsbürger. Er wurde 1975 geboren, nach Deutschland kam er im Sommer 2001. Ein Jahr später begann er in Bremen sein Studium im Fach Produktionstechnik und Maschinenbau. Seit 2004 ist Chihi Vorstandsmitglied und Schatzmeister des Islamischen Kulturzentrums (IKZ) in der Bremer Bahnhofsvorstadt. In den Jahren danach machte er sich als Imam der Moschee einen Namen, leitete unter anderem das wöchentliche Freitagsgebet. Das IKZ gilt unter Sicherheitsbehörden schon seit Langem als Treffpunkt der salafistischen Szene.

Chihi hat vier Kinder. Er lebt allerdings bereits seit Jahren von seiner Familie getrennt. Weil er seine Frau geschlagen hatte, untersagte das Bremer Amtsgericht ihm für mehrere Monate den Kontakt zu Frau und Kindern.

2022 wurde er vom Bremer Amtsgericht wegen dieser Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Seine Frau hat sich inzwischen von ihm scheiden lassen. Mit den Kindern hat er offenbar wieder wöchentlich Umgang.

Wie ist das IKZ einzuschätzen?

Das Islamische Kulturzentrum am Breitenweg gilt laut Bremer Verfassungsschutz seit mehr als 20 Jahren als Anlaufpunkt der salafistischen Szene in Bremen und weit darüber hinaus. 400 bis 500 Besucher kommen demnach zu den Freitagsgebeten. In den Predigten würden die westliche Werteordnung und Andersgläubige abgelehnt, antisemitische Inhalte verbreitet, heißt es vom Verfassungsschutz. Auch Andersdenkende innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft würden im IKZ kritisiert und verleumdet, etwa als "Heuchler".

Immer wieder lädt das IKZ auch überregionale Salafisten als Gastdozenten ein. Manche sind auf Social Media regelrechte Stars der Szene – etwa Abul Baraa aus Braunschweig, dessen Predigten online regelmäßig von Tausenden Menschen verfolgt werden.

Warum soll Chihi ausgewiesen werden?

Im April 2021 verfügte die Bremer Innenbehörde die Ausweisung Chihis. Er richte sich mit seinen Predigten gegen die öffentliche Sicherheit und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Über Jahre habe er gegenüber Menschen anderer Religion, Nationalität und gegenüber Frauen aggressiv und böswillig zum Hass aufgerufen, hieß es.

Ein Imam hält einen Koran in den Händen.
Chihi betont, dass er in vielen Predigten nur den Koran zitiere. Bild: dpa | Hauke-Christian Dittrich

Seine Predigten sind laut Innenbehörde durch ein regelrechtes Kriegsvokabular geprägt. Da sei vom "kämpfen", "besiegen", "zerstören" und immer wieder von "Feinden" die Rede. Außerdem gefährde er die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, weil er terroristische Vereinigungen unterstütze.

Aussagen Chihis in Ausweiseverfügung zitiert

In der Ausweiseverfügung sind diverse Aussagen Chihis zitiert. Etwa: "Oh Gott, steh' unseren Brüdern, den Dschihadisten und Mudschahedin überall bei, in Palästina, Gaza, Irak, Bosnien, Afghanistan, Oman – und besiege die Enkel der Affen und Schweine." Oder auch: "Als Osama Bin Laden gestorben ist, warum seid ihr da nicht gekommen und habt das Abwesenheitstotengebet gesprochen?"

Was sagt der Betroffene?

Abbes Chihi klagte gegen die Ausweisung. Er unterstütze keine Terrororganisationen. Der Begriff "Mudschahedin" sei mehrdeutig. Osama bin Laden sei keine terroristische Vereinigung, sondern eine "Einzelperson". Chihi betont, dass er in vielen Predigten nur den Koran zitiere. Er nutze gewaltfreie Mittel wie Vorträge und Predigten, um seine Botschaft zu vermitteln. Außerdem sei es für seine vier in Deutschland lebenden Kinder wichtig, weiterhin Kontakt zu ihrem Vater zu haben.

Wie hat das Bremer Verwaltungsgericht entschieden?

Das Bremer Verwaltungsgericht folgte in seinem Urteil im Juli 2022 im Wesentlichen der Argumentation Chihis. Es sei nicht erkennbar, dass er den IS oder andere Terrororganisationen unterstütze. Die Aussagen in seinen Predigten bewegten sich laut Verwaltungsgericht noch im Rahmen der Meinungsfreiheit und könnten nicht als Aufruf zum Hass verstanden werden.

Die Bremer Innenbehörde ist gegen die Entscheidung in Berufung gegangen, so dass es nun zur Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht kam.

Wie wichtig ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts?

Die Sicherheitsbehörden sehen in Chihi eine der zentralen Figuren für die salafistische Szene in Bremen. Er sei eine Art Vordenker. Deshalb ist die Frage, ob er aufgrund seiner Äußerungen ausgewiesen werden kann, für die Behörden von zentraler Bedeutung. Die Entscheidung in Bremen könnte demnach auch Signalwirkung für andere Bundesländer haben.

Autor

  • Steffen Hudemann
    Steffen Hudemann Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Morgen, 18. September 2024, 8 Uhr