Interview
Trawler und "deftige Kerle": Die goldenen Jahre des Fischereihafens
Der Bremerhavener Heino Brockhage gilt als "Gedächtnis des Fischereihafens". Bei buten un binnen öffnet er die Schatztruhe seiner Erinnerungen und erzählt vom wilden Leben im Hafen.
Herr Brockhage, mit 15 Jahren sind Sie schon mit dem Fahrrad durch den Fischereihafen gefahren. Wo kam die Begeisterung her?
Primär war das Neugierde, ne? Da war pulsierendes Leben im Fischereihafen und ich war damals begeistert von den Menschen, die in der Fischerei und auf den Werften ihre Arbeit gemacht haben. Ganz besonders fasziniert war ich natürlich von den Trawlern, von den Fischdampfern, von den alten Seitenklatschern, die zum Beispiel an der Ausrüstungskaje der Nordstern-Reederei lagen.
Ich war fasziniert von den urigen Typen, von den Fischdampfer-Leuten, die an den Treffpunkten der Kneipen dann zusammenkamen.
Heino Brockhage
Was waren das denn für Menschen, was hat die ausgezeichnet?
Das waren unheimlich deftige Kerle. Die wussten, was sie wollten, nech? Die hatten aber auch immer lustige Sprüche drauf. Ich war ja damals 15 Jahre alt, fuhr da mit dem Rad vorbei. Und da musste man sich das schon mal gefallen lassen, dass die sagten: "Ey, du, hast du 'ne Schwester?". Und da bin ich immer schnell weitergefahren.
Der Hafen war ja damals geprägt vom Fischfang. In Ihrer Jugend, was hat man da denn so erlebt?
Sie müssen sich das im Fischereihafen so vorstellen: Es war ein stetiges Kommen und Gehen. Fischdampfer liefen gut ausgerüstet aus, andere kamen wieder voll mit Fisch zurück, der dann an der entsprechenden Kaje in der Nähe der Auktionshalle entladen werden musste. Und ganz schnell dann auch, auf kürzestem Wege, für die Auktion vorbereitet wurde.
Es war im Fischereihafen pulsierendes Leben.
Heino Brockhage
Da steckte ja richtig Geld drin im Fischfang. Ich habe die Geschichte gehört, dass die Kapitäne diese Fanggründe, die sie kannten, sehr gehütet haben. Wie haben die das gemacht?
Das kenne ich ja auch nur aus Erzählungen, ich bin ja selbst nie zur See gefahren. Es war schon so, dass die Aufzeichnungen gemacht haben und die dann auch hüteten. Es hat Kapitäne gegeben, wenn die zur Koje gingen, dann nahmen sie ihr Buch mit ihren Aufzeichnungen mit und packten das unter das Kopfkissen. Die wollten nicht, dass jemand, der da nicht zu aufgefordert war, drin herumstöberte und vielleicht etwas abschrieb.
Das war ja die schriftliche Dokumentation der "Fischnase", die diese Leute hatten. Und der Erfolg eines Kapitäns stand immer damit in Verbindung: Er musste Fisch mit nach Hause bringen. Sonst machte der vielleicht noch eine Reise und dann war er wieder Steuermann.
Heino Brockhage
Der Fischereihafen hat ja auch die Stadt geprägt. Inwiefern?
Ja, er hat unbedingt die Stadt geprägt. Wir haben ja sehr schlechte Zeiten erlebt, ich bin 1946 geboren. Und von '46 auf '47 gab es den schrecklichen Winter, der schon mit Frost im November losging. Die Leute hatten nichts zu heizen, sie hatten aber vor allem nichts zu essen. Und die, die dann in der Fischerei arbeiteten und ihre Debutate bekamen, die haben damit dann ihre Nachbarschaft versorgt. Man hat sich unheimlich gegenseitig geholfen.
Der Fischereihafen, das kann man wohl sagen, war ein Segen für die Stadt, gerade im Bezug auf Ernährung und gerade im Bezug auf diese schlechten Zeiten.
Heino Brockhage
Das Interview führte János Kereszti für buten un binnen. Verschriftlicht von Rebecca Küsters.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19:30 Uhr, 23. März 2024