Mit welchen Gefahren junge Wähler auf Social Media konfrontiert sind
Jugendliche lesen kaum noch Nachrichten, sondern informieren sich über TikTok, Instagram und andere Social Media Plattformen. Eine Expertin kennt die Gefahren.
Heute ist die Sinus-Jugendstudie veröffentlich worden. Ihr zufolge geben Jugendliche an, sich im Falle von Desinformation vor allem auf ihr Bauchgefühl zu verlassen um Falschinformationen erkennen zu können.
Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt: Inhalte werden in sozialen Netzwerken nur selten von den Jugendlichen auf ihre Richtigkeit geprüft. In der Studie des Sinus-Instituts und der Bundeszentrale für politische Bildung geht es um die Lebenssituation junger Leute. In Interviews werden 14- bis 17-Jährige zu ihrer Lebenssituation befragt. Wovor haben Sie Angst? Wie zufrieden sind sie? Was beeinflusst sie?
Parolen und Verschwörungserzählungen
Politische Inhalte von Parteien auf Social Media kommen vor allem bei der jungen Wählergruppe gut an, sagt Lothar Probst, Politikwissenschaft und früherer Professor an der Uni Bremen für Wahl- und Parteienforschung.
Das Problem: Bei der Vielzahl an Informationen, die Menschen in den sozialen Medien erreichen, ließen sich viele Aussagen nicht richtig einordnen: "Es kursieren auch ganz viele Verschwörungserzählungen, ganz viele rechte Parolen auf TikTok und Instagram."
Kontroverse Aussagen werden häufiger geklickt
Warum aber gerade die sozialen Medien, allen voran TikTok, sich so gut dafür eignen, mit teilweise polemischen, verkürzten oder falschen Inhalten bei jungen Menschen zu punkten, das weiß Julia Kehr-Ritz. Sie arbeitet als Referentin im Projekt Future Fabric vom Servicebureau für Jugendinformation.
Außerdem gibt Kehr-Ritz Workshops zum Thema Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die demokratische Gesellschaft: "TikTok, genau wie die anderen Social-Media-Plattformen, basiert einfach auf dem Geschäftsmodell, dass sie Geld machen, durch die Zeit, die die User auf dieser Plattform verbringen. Wir haben gleichzeitig auch das Problem, dass kontroverse, provokative Aussagen mehr Reaktionen hervorrufen."
Deepfakes weiteres Problem
In anderen Ländern haben Deepfakes, also täuschend echt gefälschte Bild-, Audio- oder Video-Aufnahmen vermutlich Einfluss auf öffentliche Debatten gehabt, erzählt Kehr-Ritz. So sei im vergangenen Jahr eine gefälschte Audio-Spur des Präsidentschaftskandidaten Michal Šimečka aus der Slowakei viral gegangen. Darin gibt er angeblichen Wahlbetrug zu und kündigte an, die Bierpreise erhöhen zu wollen.
Schnell wird klar: Die Audiospur ist gefaked, sie wurde von einem unbekannten Instagram-Account verbreitet, wie ein Team von Faktencheckern herausfindet. Dabei ist das bei Audiospuren gar nicht so leicht: Ein gefälschtes Video verrät sich durch Fehler in der Mimik, eine gefälschte Audiospur fällt auf durch montones Sprechen mit wenig Stimmmelodie, so Kehr-Ritz. Präsidentschaftskandidat Šimečka verliert die Wahl. Welchen Einfluss der Deepfake hatte ist unklar.
Eine US-Studie findet Ende Mai heraus: Das größte Problem sind die sogenannten "Supersharer", also Nutzer, die besonders viele Inhalte in den sozialen Netzwerken teilen. Im Fall der US-Wahl 2020 seien rund ein Prozent der auf X, ehemals Twitter, untersuchten Accounts verantwortlich für rund 80 Prozent der verbreiteten Desinformationen.
Empfehlung: Quellen überprüfen
Kehr-Ritz empfiehlt deshalb die eigene Medienkompetenz zu stärken. "Es gibt auch ganz bestimmte Themenbereiche, wo die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass es sich um Desinformation handelt oder um Beeinflussung." Das seien vor allem komplexe Themen, auf die es keine einfache Antwort gibt.
Schwarz-weiß Aussagen polarisieren mehr und werden häufiger geklickt, sagt Kehr-Ritz. Wenn es um den Themenbereich Migration gehe zum Beispiel. "Viele Ersteller von Deepfakes und Desinformation sind politisch motiviert, oft geht es darum rassistische oder sexistische Ideologien zu verbreiten."
Deshalb empfiehlt sie die Quelle des Postings zu überprüfen und zu hinterfragen, wer die Inhalte teilt und mit welcher Intention.
Social Media nicht Wurzel des Problems
Aber nicht nur Social Media beeinflusst junge Menschen. Wenn die Gesellschaft insgesamt nach rechts rücke, so Politikwissenschaftler Probst, dann verwundere es natürlich nicht wenn auch ein Teil der jungen Wähler sich politisch mehr nach rechts orientiere.
Das findet sich auch in den Wahlergebnissen zur Europawahl wieder: Die AfD ist unter jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren der größte Gewinner der Europawahl in diesem Jahr – mit einem Plus von elf Prozentpunkten im Vergleich zur vergangenen Europawahl im Jahr 2019.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12 Juni 2024, 19:30 Uhr