Fragen & Antworten
Warum junge Menschen so oft einsam sind
Immer mehr junge Menschen fühlen sich einsam, das hat eine aktuelle Umfrage ergeben. Das ist gefährlich, denn: Einsamkeit kann krank machen. Aber: Es gibt Möglichkeiten, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen.
Wer ist am häufigsten von Einsamkeit betroffen?
Menschen im Rentenalter und junge Menschen sind oft einsam. Gerade die erste Gruppe ist oft im Fokus, wenn es um Diskussionen um Einsamkeit und vor allem um Maßnahmen gegen Einsamkeit geht. Dabei hat sich die Lage der zweiten Gruppe durch die Corona-Krise massiv verschärft: Eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung hat ergeben, dass jeder Zehnte zwischen 16 und 30 Jahren sich einsam fühlt. Junge Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Besonders stark ist die Einsamkeit demnach zwischen 19 und 22 Jahren. Außerdem sind Menschen mit Behinderungen, arme Menschen oder psychisch Erkrankte oft einsam – also Gruppen, die ohnehin um gesellschaftliche Teilhabe und mehr Zugang zu öffentlichen Räumen kämpfen.
Warum trifft es gerade diese Gruppen besonders häufig?
Das hat oft mit den Lebensphasen zu tun, in denen sich diese Menschen befinden. So erklärt es die Psychologin Mareike Ernst: Ältere Menschen müssen sich mit dem Renteneintritt oft mit einem neuen Tagesablauf zurechtfinden, auch der Tod von Partnern oder andere Umbrüche sorgen oft für Isolation und Einsamkeit.
Bei jungen Menschen ist der Effekt noch gravierender, sagt Ernst. Das habe damit zu tun, dass es gerade im jungen Alter viele Umbrüche wie Schulabschlüsse, Umzüge, Ausbildungs- oder Studiumsbeginn gibt: "Mit denen geht eben auch einher, dass man sein altes soziales Umfeld verliert und sich ein neues aufbauen muss. Das war schon immer eine riskante Zeit.“ Die Pandemie habe das verschärft: Ein Neustart sei erschwert gewesen, weil junge Menschen nicht wie gewohnt im Nebenjob oder in Vereinen neue Kontakte knüpfen konnten.
Trotzdem werde meist nur über Einsamkeit bei älteren Menschen gesprochen. Das sei in zweierlei Hinsicht gefährlich: Zum einen führe es bei älteren Betroffenen dazu, dass sie es als selbstverständlich hinnehmen, einsam zu sein. Zum anderen hätten junge Menschen das Gefühl, selbst schuld zu sein, wenn sie einsam sind. Beides sei nicht richtig, weil es das Thema weiter tabuisiere.
Was passiert, wenn man einsam ist?
Im schlimmsten Fall kann Einsamkeit krank machen: Betroffene sind viel eher gefährdet, Depressionen oder Angststörungen zu entwickeln, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu bekommen oder an Krebs oder Demenz zu erkranken, das zeigen wissenschaftliche Studien. Eine Studie geht soweit zu sagen: Einsamkeit ist so gesundheitsgefährdend wie 15 Zigaretten am Tag. Denn wenn wir einsam sind, macht unser Immunsystem schlapp. Das wird durch körperliche Nähe oder menschlichen Kontakt gestärkt – wie bei den meisten sozialen Wesen. Wenn uns das fehlt, werden wir krank.
Was hilft gegen Einsamkeit?
Laut der Psychologin Mareike Ernst ist der erste Schritt: Das Gefühl ernstnehmen. "Einsamkeit schmerzt und wir möchten das nicht fühlen, aber es ist ein normales Gefühl. Man muss sich dessen nicht schämen." Letztlich sei dieses Gefühl ein Zeichen des Körpers, dass ihm etwas fehlt, ähnlich wie Hunger oder Durst. "Man kann sich mit diesem Gefühl anderen anvertrauen, und sie werden deshalb nicht schlechter von einem denken", sagt die Expertin.
Wer selbst den Weg aus der Einsamkeit finden will, kann sich natürlich ein Hobby suchen: Sport machen, in einem Chor singen, einer Theatergruppe beitreten. Aber Mareike Ernst sagt auch, dass schon viel kleinere Schritte helfen: Beim Bäcker mal smalltalken oder die Mittagspause mit den Kolleginnen und Kollegen verbringen.
Aber auch die Politik kann aus Sicht der Expertin etwas tun: Nachbarschaft sei entscheidend dafür, wie wohl sich Menschen in ihrer Umgebung fühlen. Deswegen könne die Stadtplanung zum Beispiel dafür sorgen, dass es genug Orte und Plätze gibt, an denen Menschen zusammenkommen.
Dieses Thema im Programm: Der Morgen, Bremen Zwei, 18.06.2024, 7.35 Uhr