Darum trägt ein entfernter Deich in Butjadingen zum Klimaschutz bei

Spaziergänger laufen über Stege in einer kargen Landschaft.
Spaziergänger laufen über die Stege vom Naturerlebnispfad. Am Langwarder Groden entstehen neue Salzwiesen. Bild: dpa | Sina Schuldt

Steigender Meeresspiegel, mehr Sturmfluten: Wegen des Klimawandels müssen vielerorts Deiche erhöht werden. Butjadingen hat stattdessen einen Teil entfernt – mit positiven Effekten.

Deiche schützen und sind wichtig. Doch sie verändern auch den Naturraum an der Küste und verhindern zum Beispiel die Entstehung von Salzwiesen. Deshalb werden mancherorts an der Nordseeküste mittlerweile bestimmte Deichabschnitte zurückgebaut. Ein solches Projekt ist der Langwarder Groden am nördlichsten Zipfel der Halbinsel Butjadingen. Kürzlich war dort Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen zu Besuch und hat sich über die Bedeutung von Salzwiesen informiert. Ein Besuch vor Ort.

Mit Wanderschuhen und Regenjacke geht es hinein in den Langwarder Groden. Dort führt ein schmaler Holzbohlen-Steg direkt durch die Wattlandschaft. Bei Flut würde einen das Wasser umgeben. Gerade ist Ebbe, doch trotzdem ist viel los.

Man hört die Feldlerche und Säbelschnäbler. Der hat einen nach oben gebogenen Schnabel, damit geht er durch das weiche Sediment, säbelt durch, ob er eine Muschel hat oder nicht. Das sind wirklich ganz Wattenmeer-typische Arten. Dieser Wandel wird an der Art absolut deutlich.

Bernd Oltmanns, Biologe

Neuer Vogelreichtum Dank Renaturierung

Bernd Oltmanns ist Biologe und arbeitet bei der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Diesen Vogelreichtum, sagt er, hat es im Langwarder Groden bis vor wenigen Jahren nicht gegeben.

Wir hatten hier von den Wattenmeer-typischen Arten eigentlich so gut wie überhaupt keine. Vom Rotschenkel als Rote-Liste-Art hatten wir zwei, drei Paare, heute haben wir 60 Paare. Und die Entwicklung geht in diesem positiven Sinne noch weiter.

Bernd Oltmanns, Biologe

Der Grund für die positive Entwicklung ist die Renaturierung des Grodens. Dazu wurde von dem vier Kilometer langen Vordeich 2014 ein Abschnitt entfernt. Laut Nationalpark war das eine der größten Maßnahmen dieser Art seit Bestehen des Nationalparks. "Da hat man 900 Meter abgetragen und dadurch ermöglicht, dass das Salzwasser hier wieder reinkommt", erklärt Biologe Oltmanns.

Küstenbewohner weiterhin vor Sturmflut geschützt

Das Wasser gelangt über einen Priel, einen etwa 30 Meter breiten Zufluss, auf den Langwarder Groden. Das 140 Hektar große Gelände ist somit mit dem Wattenmeer verbunden. Vor Sturmfluten sind Küstenbewohner trotzdem geschützt, versichert Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Denn beim Vordeich handelt es sich nur um einen zweiten Deich, der vor dem Hauptdeich steht, sagt Südbeck.

Über Jahrzehnte ist die Fläche zwischen dem Hauptdeich hier und dem Vordeich dort eine ganz normale landwirtschaftliche Nutzfläche gewesen, die ausgesüßt ist.

Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer

Das Ziel ist: Durch die Öffnung des Vordeichs und damit die ständigen Überflutungen soll wieder eine Salzwiese entstehen. Salzwiesen sind nicht nur ein Lebensort und Rastplatz für Vögel, weil die im flachen Wasser reichlich Nahrung finden. Salzwiesen sind auch wegen ihrer Pflanzenarten einzigartig, erklärt Biologe Oltmanns.

Das sind Arten, die mit Salz umgehen können. Wenn Sie bei sich im Garten irgendwo Salz ausstreuen würden, würden die Pflanzen in der Regel eingehen. Diese Pflanzen haben alle Mechanismen entwickelt, um mit diesem Stressfaktor klarzukommen, beispielsweise indem Salz über Salzdrüsen ausgeschieden wird.

Bernd Oltmanns, Biologe

Salzwiesen schützen das Klima

Und: Salzwiesen schützen das Klima. Genau wie Moore sind sie große CO2-Speicher. Denn weil die Pflanzen dort unter Wasser stehen, verrotten sie kaum und geben so wenig Kohlendioxid in die Luft ab. Auch touristisch lohnt sich der renaturierte Langwarder Groden für Butjadingen. Zehntausende Gäste kommen jedes Jahr. Dabei gab es großen Widerstand. Erst ein Kompromiss, der in Teilen noch Landwirtschaft ermöglicht, stellte Kritiker wie Bauer Ralf Töllner zufrieden.

Butjadingen ist stolz auf ihren Groden. Eigentlich jeder Butjenter kommt mehrfach in der Woche, weil man da so schön entspannen und abschalten kann. Du sitzt da auf einer Bank auf dem Deich, hörst die Vögel fiepen. Wo hat man das noch?

Ralf Töllner, Bauer

Und auch die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigt sich am Ende ihrer Tour beeindruckt.

Eine wunderbare Landschaft, und wovon sie mich überzeugt haben ist, dass Natur und Naturschutz hier für die Menschen da ist. Und die Landschaft für sie etwas Positives geschaffen hat, dass sie für uns etwas leistet, wenn wir sie darin nicht stören.

Steffi Lemke, Umweltsenatorin (Grüne)

Bis die Salzwiese in Butjadingen komplett entwickelt ist, wird es noch Jahre dauern. Die Nationalparkverwaltung plant schon die nächste Renaturierung. Sie könnte zwischen Bremerhaven und Cuxhaven entstehen.

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Carolin Henkenberens
    Carolin Henkenberens Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Das Wochenende aus Bremerhaven, 21. Mai 2023, 10 Uhr