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Bremerhavener Mieter werfen Wohnungsgesellschaft LEG Abzocke vor

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Die LEG-Mieter in Bremerhaven-Surheide gehen juristisch gegen den Immobilienkonzern vor. Im Zentrum dabei: satte Mieterhöhungen, falsche Abrechnungen und Schimmel an den Wänden.

51 Wohneinheiten in Bremerhaven-Surheide hat die Wohnungsgesellschaft LEG nach eigenen Angaben zum 1. Januar 2022 übernommen: in der Carsten-Lücken-Straße und im angrenzenden Vieländer Weg. Das Wohnungsunternehmen verwaltet diese Objekte nicht nur – sie ist auch die Eigentümerin dieser Häuser. Fast zwei Jahre nach dieser Übernahme gehen etliche Mieterinnen und Mieter der Wohneinheiten nun auf die Barrikaden, haben sich an den Mieterverein gewandt, privat einen Rechtsanwalt eingeschaltet oder sind offenbar dicht davor.

Blonde Frau präsentiert Aushängen zu "Mietschäden" vor Hauseingang
Wie Andrea Siems (unser Foto) haben viele Mieter in Bremerhaven-Surheide die Nase voll von der LEG. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Der Grund: In den Augen der Mieterinnen und Mieter sind die Nebenkostenabrechnungen der Gesellschaft überhöht und falsch, daneben kritisieren sie fragwürdige Mieterhöhungen. Zudem werfen die Bewohner der LEG vor, Mängel wie Schimmel oder defekte Heizungen nicht oder nur teilweise beseitigt zu haben und Mieter, die sich beschweren, einzuschüchtern statt ihnen zu helfen.

Dass die dortigen Mieterinnen und Mieter jetzt konzertiert juristisch gegen die Gesellschaft vorgehen, ist die unmittelbare Folge der Nebenkosten-Abrechnung über das Jahr 2022, die die LEG ihnen kürzlich hat zukommen lassen. So spricht Andrea Waldmann, die die Proteste der Anwohner koordiniert, von "Abzocke" und "betrügerischem Verhalten" der LEG. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.

Was konkret werfen die Mieterinnen und Mieter in Surheide der Wohnungsgesellschaft vor?

Sie werfen der LEG vor, zugleich die Mieten im zweifelhaft hohen Maße erhöht zu haben und sich nicht um die Beseitigung von Mängeln zu kümmern. So hätten einige Mieter monatelang ohne Heizung auskommen müssen, sagt Andrea Waldmann. Vor allem aber stoßen sich viele Mieterinnen und Mieter an ihren Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2022. So sagt Monika Bewer, die mehr als 500 Euro für das Heizen nachzahlen soll: "Ich allein kann gar nicht so viel verbrauchen. Außerdem mache ich die Heizung gar nicht immer an."

Ähnlich äußert sich Bewers Nachbarin Nicole Siems. Seit zehn Jahren wohnt sie in der Anlage. Seitdem die LEG die Immobilien verwalte, würden die Mieter ausgenommen und Vieles drohe zu verwahrlosen, sagt sie. Wer sich wehre, dem drohe das Unternehmen schnell mit Zwangsräumungen oder auch damit, die Versorgung mit Energie abzustellen.

Sybille Kassebaum-Liermann
Rechtsanwältin Sybille Kassebaum-Liermann unterstützt die Mieterinnen und Mieter. Bild: Radio Bremen

Was sagt der Mieterverein Bremerhaven zu den Vorwürfen der Mieterinnen und Mieter?

Sybille Kassebaum-Liermann, Vorstandsmitglied im Mieterverein Bremerhaven, spricht von gut zehn Parteien aus den Objekten der LEG in der Carsten-Lücken-Straße sowie im Vieländer Weg, die ihr bislang Nebenkosten-Abrechnungen aus dem Jahr 2022 vorgelegt hätten. "Die Betriebskosten sind auffällig hoch, auch wegen hoher Brennstoffkosten", sagt sie dazu. Sie werde von der LEG Einsicht in die den Nebenkosten zugrunde liegenden Belege fordern. Nur so lasse sich feststellen, welche Forderungen der LEG tatsächlich berechtigt sind – und was der einzelne Mieter folglich bezahlen muss.

Schon jetzt könne sie sagen, dass die LEG warmes Wasser falsch abgerechnet hat. "Laut Heizkostenverordnung muss das Warmwasser teils nach dem Verbrauch und teils nach der Wohnfläche abgerechnet werden. Das ist hier nicht geschehen." Stattdessen habe die LEG die Kosten für das warme Wasser in den vorliegenden Fällen allein nach der Wohnfläche berechnet. Daher könnten die betroffenen Mieter 15 Prozent von ihrer Warmwasserrechnung abziehen.

Auch die Kaltwasserabrechnungen der LEG seien in denen dem Mieterverein vorliegenden Fällen nicht korrekt, so Kassebaum-Liermann. Wie das warme Wasser habe die LEG auch das kalte Wasser allein nach den Wohnungsgrößen berechnet. Stattdessen hätte die Gesellschaft die Wasser-Uhren in den betreffenden Wohnungen ablesen müssen. Auch von der Kaltwasserrechnung könnten betroffene Mieter daher 15 Prozent abziehen, sagt Kassebaum-Liermann.

Was könnte die LEG nach den bisherigen Erkenntnissen des Mietervereins noch falsch berechnet haben?

In einigen Fällen, so Kassebaum-Liermann, hat die LEG die Vorauszahlungen der Mieter nicht hinreichend berücksichtigt – zum Nachteil der Mieter. Sie rät daher allen, zu prüfen, ob die LEG die Vorauszahlungen in den Abrechnungen korrekt ausgewiesen hat. 

Menschenansammlung im Innenhof eines Wohnblocks
Wegen hoher Nachzahlungsforderungen der LEG haben sich die betroffenen Mieter kürzlich im Innenhof ihres Wohnblocks abgestimmt. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Was sollten Mieter der LEG außerdem unternehmen, wenn sie glauben, dass mit ihren Nebenkostenabrechnungen etwas nicht stimmt?

Jenen, die Mitglied im Mieterverein sind, empfiehlt Kassebaum-Liermann, die Abrechnungen vorbei zu bringen. Den übrigen rät sie, bei der LEG Einsicht in die den Nebenkosten zugrunde liegenden Belegen zu fordern. Sollten dem Mieter bei der Sichtung der Belege Ungereimtheiten auffallen, so könne er die Vermieterseite damit konfrontieren und eventuell einen Teil von der Nachzahlung abziehen.

Man sollte erst nach der Prüfung der Belege bezahlen und zwar nur das, was durch die Belege nachgewiesen ist.

Sybille Kassebaum-Liermann, Mieterverein Bremerhaven

Und was sollten Mieter machen, wenn sie Mängel in ihren Wohnungen feststellen?

"Mieter sind dazu verpflichtet, Mängel in der Wohnung dem Vermieter umgehend zu melden", sagt Kassebaum-Liermann. Sofern diese Mängel die Wohnsituation beeinträchtigen, könnten sie ab dem Zeitpunkt, zu dem sie den Mangel angezeigt haben, die Miete mindern. Um im Streitfall beweisen zu können, dass sie einen Mangel angezeigt haben, empfiehlt Kassebaum-Liermann, die Schriftform, idealerweise ein Einschreiben mit Rückschein. 

Was können Mieter unternehmen, wenn sie glauben, dass der Vermieter die Miete zu stark erhöht hat?

Hier müsse man den Einzelfall prüfen, sagt Kassebaum-Liermann. Es sei grundsätzlich erlaubt, Mieten innerhalb von drei Jahren um maximal 20 Prozent zu erhöhen, vorausgesetzt, dass die Mieten dann noch in etwa den ortsüblichen Vergleichsmieten entsprechen, die der Mietspiegel ausweist. Im Falle Bremerhavens hat die LEG nach den bisherigen Erkenntnissen des Mietervereins die zulässigen 20 Prozent bei den Mieterhöhungen "voll ausgeschöpft", so Kassebaum-Liermann. 

Wie äußert sich die LEG zu den Vorwürfen der Bremerhavener Mieter?

Zum Vorwurf der unrechtmäßig hohen Mieterhöhungen teilt LEG-Sprecherin Veronika Böhm mit, dass sich das Unternehmen an alle gesetzlichen Vorgaben halte. Auch den Vorwurf, dass die LEG ihren Bremerhavener Mietern falsche und zu hohe Nebenkostenabrechnungen zugesandt habe, weist Böhm zurück: "Die Höhe bei den Nebenkosten orientiert sich an den Marktpreisanpassungen. Da wir die anfallenden Nebenkosten lediglich in der Nebenkostenabrechnung als Vermieter durchreichen, haben wir nur bedingt Einfluss auf die anfallenden Kosten." Darüber hinaus habe die LEG ihre Mieter im Zuge der Energiekrise schriftlich "sehr transparent darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre Nebenkosten deutlich steigen werden".

Schließlich verwahrt sich die LEG auch gegen den Vorwurf einiger Mieterinnen und Mieter aus Bremerhaven, dass sie Mängel wie Schimmel oder defekte Heizungen nicht oder nur mit Verzögerung beseitige: "Sobald Schadensmeldungen an uns herangetragen werden, reagieren wir umgehend. Unsere Handwerker sowie Fachfirmen werden dann entsprechend tätig", so Böhm.

Allerdings müsse die LEG bei der Abarbeitung von Schäden nach Schwere der Fälle Prioritäten setzen. Auch räumt Böhm ein: "Da der Handwerkermarkt, aber auch die Lieferketten seit einigen Jahren sehr angespannt sind, kam es nach der Übernahme der Bestände teilweise zu längeren Abarbeitungs- oder Wartezeiten, die wir entschuldigen möchten." Böhm betont: Die LEG versuche, ihr Handwerker-Netzwerk in Bremen und Bremerhaven auszubauen, um bei der Abarbeitung von Mängeln schneller und effizienter werden.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 7. Dezember 2023, 19:30 Uhr