Interview

Bremer Hausarzt: "Wir brauchen Nachwuchs, nicht mehr Geld"

Ein Arzt unterhält sich in einer Arztpraxis mit einer Patientin.

Was der Hausärzteverband Bremen von Lauterbach fordert

Bild: dpa | Christin Klose

Der Ärzte-Krisengipfel startet. Der Bremer Hausarzt Holger Schelp fordert mehr Nachwuchsförderung, einfachere Abrechnungsverfahren – und eine klare Richtung von der Politik.

Herr Schelp, wie ist ihr Alltag als Hausarzt derzeit?

Wir arbeiten jeden Tag in hohem Tempo. Die vielen Anfragen müssen wir bewältigen, sodass die Menschen am Ende irgendwie zufrieden sind. Die Anfragen sind im Vergleich der letzten Jahre mehr geworden und gleichzeitig sind wir weniger Ärzte. Viele von uns haben sich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung entschieden, weniger Stunden zu arbeiten, weil man es sonst gesundheitlich nicht durchhält.

Hat das E-Rezept die Situation verschlimmert oder erleichtert?

Vorübergehend hat es sie verschlimmert, weil man sich organisatorisch komplett umstellen muss und vieles noch nicht gut funktioniert. Und manches, was wir vorher in den Tutorials gelernt haben, läuft dann im Alltag doch anders.

Porträt von Holger Schelp, Allgemeinmediziner und Anästhesiologe
Viele Ärzte gehen in den nächsten Jahren in Rente. Demnach muss die Nachwuchsförderung gestärkt werden, meint Schelp. Bild: Kassenärztliche Vereinigung Bremen

Was wird Herr Lauterbach also an diesem Dienstag von der Ärzteseite zu hören kriegen?

Er wird das hören, was wir schon das ganze letzte Jahr und schon früher gesagt haben. Die Approbationsordnung (Regelung des Medizinstudiums, Anm. der Red.) muss endlich umgesetzt werden. Die war geplant, damit mehr junge Ärztinnen und Ärzte schon während des Studiums mit der Hausarztmedizin in Kontakt kommen und dann motiviert sind, unseren schönen Beruf auszuüben. Der Nachwuchs ist eine Stellschraube, an der man drehen muss. Wir brauchen einfachere Abrechnungsverfahren, nicht unbedingt viel mehr Geld.

Wir werden unser aktuelles Abrechnungsverfahren renovieren oder abschaffen müssen. Wir haben vom Hausärzteverband ein eigenes Abrechnungsverfahren, das viel einfacher ist.

Die Politik muss eine Richtung vorgeben. Wir haben den Eindruck, dass die Politik uns manchmal mehr gar nicht so richtig will als niedergelassene Ärzte. Keiner äußert sich klar, wie die Zukunft sein soll.

Holger Schelp, Hausarzt und Vorstandsvorsitzender des Hausärzteverbandes Bremen

Und wir würden uns gern anpassen, wenn uns keiner will. Da kann man ja auch früher in Rente gehen.

Welche Lösungen erhoffen Sie sich von der Politik?

Wir müssen ja noch ziemlich viele Jahre mit wenig Hausärztinnen und Hausärzten auskommen, deshalb brauchen wir Unterstützung dabei, dass wir mit großen Teams arbeiten können. Das heißt, der Arzt ist nicht alleine da mit ein, zwei medizinischen Fachangestellten, sondern mit gut ausgebildeten Versorgungsassistentinnen, die weitergebildet sind. Dann können wir ein hausärztliches Primärversorgungszentrum sein.

Das können wir, weil wir schon jahrelang unsere Praxen organisieren, besser als in Form eines Versorgungszentrums auf kommunaler Ebene. Wir wissen, wie Personalabrechnung läuft und in welch engem Takt wir arbeiten. Wenn wir unsere Teams gut bezahlen können, qualifizierte Mitarbeiterinnen haben und groß genug aufgestellt sind, dann geht das. Dann können wir die Zeit überbrücken, bis wir wieder mehr Hausärztinnen und Hausärzte haben, die dann hoffentlich von den Universitäten kommen.

Einerseits sind die Praxen voll, andererseits schließen einige Praxen. Ist der Beruf so unattraktiv?

Nein, wir können Praktikantinnen und Auszubildenden den Spaß vermitteln. Neuzugänge kommen und sind gerne da – aber es sind insgesamt zu wenige. Ein Drittel von uns, der Boomer-Generation, ist über 60. In fünf bis sieben Jahre gehen einige in Rente, einige bleiben und reduzieren ihre Zeit. Die nachkommende Generation arbeitet nicht unbedingt Vollzeit und teilen sich die Arbeit mehr auf.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 9.Januar 2024, 07:40 Uhr