Fragen & Antworten
Wer profitiert in Bremen und Bremerhaven von der Kindergrundsicherung?
In Bremen und Bremerhaven bekommen bislang rund 10.300 Kinder und Jugendliche den Kinderzuschlag. Durch die Kindergrundsicherung könnte sich die Zahl nun verdreifachen.
Wochenlang hat die Ampel in Berlin über die Kindergrundsicherung gestritten, doch nun gibt es eine Einigung: 2,4 Milliarden Euro zusätzlich soll es ab 2025 für Kinder und Jugendliche geben. Das ist aber nur ein Bruchteil der 12 Milliarden, die die Familienministerin ursprünglich haben wollte.
Wie bewerten die Bremer Wolfahrtsverbände und Fachleute den Beschluss?
Die Wohlfahrtsverbände sind erst einmal froh, dass die Hängepartie ein Ende hat. Aber an der Summe gibt es viel Kritik. Das wird nicht ausreichen, sagt zum Beispiel Jana Rump, Leiterin des Kinderschutz-Zentrums des Bremer Kinderschutzbundes. "Es macht ein Stück weit fassungslos, wenn man sich die Gesamtlage anschaut, wie wenig Wert Kinder und Jugendliche haben, wenn wir das im Finanziellen betrachten."
Wenn Kinder weniger Geld haben, so Rump, kann sich das auf die Entwicklungschancen, die Gesundheit und generell die Teilhabe auswirken. Und gerade im Land Bremen ist Kinderarmut ein großes Problem: 42 Prozent der Minderjährigen sind hier laut Bertelsmann-Stiftung von Armut bedroht.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband Bremen, der als Dachverband viele soziale Einrichtungen vertritt, findet: Es geht vieles in die richtige Richtung, aber die große Veränderung für arme Familien ist es eher nicht.
Was hätten sich Bremer Expertinnen und Experten stattdessen gewünscht?
Einerseits natürlich deutlich mehr Geld für die Reform. Andererseits ist auch noch vieles unklar. Es soll zum Beispiel das Existenzminimum für Kinder neu berechnet, also wahrscheinlich erhöht werden. Aber wie hoch das ausfallen wird, steht noch aus.
René Böhme von der Universität Bremen befürchtet: Sollte die Berechnung so ausfallen, dass das Budget von 2,4 Milliarden Euro nicht ausreicht, könnten einzelne Posten zulasten der Kinder weggekürzt werden. Der Sozialwissenschaftler prophezeit, dass es noch viel Streit in der Sache geben wird.
Was sind denn aus Sicht der Bremer Akteure die Errungenschaften des Kompromisses?
Mit der Kindergrundsicherung sollen das Kindergeld und der Kinderzuschlag zusammengelegt werden, den Zuschlag können arme Familien beantragen. Doch viele machen das nicht, sei es aus Unwissenheit oder weil sie mit der Bürokratie überfordert sind. Experten zufolge beantragen das nur 30 bis 35 Prozent aller Berechtigten. Und das soll künftig automatisiert ablaufen.
Grundsätzlich, sagt zum Beispiel Birgitt Pfeiffer, Vorständin des Paritätischen, ist es gut, dass das Beantragen der verschiedenen Leistungen vereinfacht wird. "Wir glauben, dass das eine richtige Stoßrichtung ist, das Beantragen deutlich leichter zu gestalten. Sehr arme Familien hängen aber noch deutlich zurück, was das Thema Digitalisierung aufweist."
Wie viele Kinder und Jugendliche könnten von der Reform in Bremen und Bremerhaven profitieren?
Den Kinderzuschlag bekommen im Land Bremen derzeit rund 10.300 Kinder und Jugendliche. Das Bremer Sozialressort schätzt, dass sich die Zahl mit der Kindergrundsicherung verdreifachen könnte. Auch weil viele arme Familien profitieren, findet Sozialwissenschaftler Böhme die Einigung grundsätzlich gut.
Er sagt, dass bisher arme Familien durch staatliche Leistungen viel weniger Geld vom Staat bekämen als Familien mit hohem Einkommen, die stark von Steuerfreibeträgen profitieren. Und mit der Kindergrundsicherung werde dagegen etwas unternommen. Aber auch Böhme sagt auch: Der Kompromiss ist nur ein "Einstieg in einen Systemwechsel".
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. August 2023, 19:30 Uhr