Warum jetzt in Delmenhorst Retoure-Pakete in Automaten verkauft werden
Statt Zigaretten und Snacks werden an einem Automaten in Delmenhorst Pakete angeboten. Deren Inhalt kennt der Käufer nicht. Wie nachhaltig ist das und lohnt sich der Kauf?
Ein Automat am Straßenrand in Delmenhorst – auf den ersten Blick recht unspektakulär. Bei genauerem Hinsehen fällt auf: Verkauft werden weder Snacks noch Zigaretten. Stattdessen können Päckchen aus Versandretouren mit unbekanntem Inhalt erworben werden, quasi wie bei einer Wundertüte.
Vor allem über soziale Netzwerke wie Instagram und TikTok verbreitet sich dieser Trend aktuell deutschlandweit. Als einer der ersten hat Mechaniker Ricardo Kürzel einen solchen Automaten in die Nähe von Bremen geholt. Seit rund zwei Monaten steht sein Exemplar nun an der Nutzhorner Straße. "Ich finde gut, dass die Pakete auf diesem Weg neue Besitzer finden", sagt Kürzel.
Erster Automat im Allgäu
Ursprünglich stammt die Idee aus dem Allgäu, wo ein Familienvater vergangenen Winter seinen "Secret-Pack-Automaten" aufgestellt hat. Ein erfolgreiches Konzept, das nun vielerorts kopiert wird – auch im Norden. "Ich habe durch einen Fernsehbeitrag von dem Automaten erfahren und finde das Prinzip klasse", erzählt Kürzel.
Kurz darauf hat er einem Landwirt seinen Automaten abgekauft und diesen umgebaut. Woraus zuvor regionale Lebensmittel verkauft wurden, werden nun Päckchen zum Preis zwischen acht und zwölf Euro angeboten. Deren Inhalt ist unbekannt. Von Klebeband bis Drohne – in den Paketen kann sich laut dem Delmenhorster alles Mögliche befinden: "Ich bin oft selbst neugierig, was drinsteckt." Manch ein Kunde habe schon richtig Glück gehabt, sagt Kürzel.
Es gibt mittlerweile schon Stammkunden, die hochwertige Produkte wie Bluetooth-Kopfhörer und einen Kinder-Lern-Laptop ergattern konnten.
Ricardo Kürzel, Besitzer eines Automaten in Delmenhorst
Seitdem kommen sie öfter vorbei, um sich weitere Pakete zu kaufen. Die Pakete haben ihre Empfänger entweder nie erreicht oder wurden als Retoure zurückgeschickt. Solche Waren verkaufen Unternehmen, wie etwa Amazon und Otto, an Versandhändler weiter. "Unsere Priorität ist es, nicht verkaufte oder zurückgeschickte Produkte als Neu- oder Gebrauchtware weiterzuverkaufen, sie zu spenden oder zu recyceln – und zwar in dieser Reihenfolge", erklärt ein Amazon-Sprecher.
Ähnlich handhabt auch Otto den Umgang mit Retouren. "Nur rund 0,5 Prozent der an Otto versandten Retouren können nicht mehr in einen neuwertigen Zustand versetzt werden, was einen Wiederverkauf leider ausschließt", sagt ein Sprecher zu buten un binnen. Textilien gehen dann häufig an Großhändler, die Second-Hand-Ware vertreiben. Elektrogeräte werden laut Otto in Spezialbetrieben wieder betriebsfähig gemacht oder nachhaltig recycelt.
Pakete stammen von Großhändlern
Automatenbetreiber wie Kürzel können die Päckchen palettenweise bei entsprechenden Großhändlern bestellen. "Die Großhändler, bei denen ich bestelle, garantieren, dass die Produkte nicht gegen den Jugendschutz verstoßen", sagt Kürzel. Bevor er die Pakete in seinen Automaten räumt, muss er nur noch die Adressen der vorherigen Empfänger unkenntlich machen. Generell komme die Idee auch in Delmenhorst gut an, betont Kürzel: "Rund 2.000 Pakete habe ich bisher verkauft."
Alle paar Tage müsse er seinen Automaten, in den je nach Größe rund 30 Päckchen passen, auffüllen. Dennoch plant Kürzel erst einmal keine weiteren Automaten in Delmenhorst oder umliegenden Städten. Derzeit stehen vor allem formelle Herausforderungen an, erklärt er: "Ich muss den Automaten wahrscheinlich etwas weiter vom Fußweg entfernt aufstellen."
Kritik von Verbraucherzentrale
Seitens der Bremer Verbraucherzentrale wird der Trend rund um solche Automaten als nicht nachhaltig kritisiert.
Wir raten dazu, bewusst nur das einzukaufen, was man auch wirklich braucht.
Parsya Baschiri, Sprecher der Bremer Verbraucherzentrale
Baschiri vermutet, dass oftmals in den Automaten gekaufte Retouren im Müll landen – weil der Käufer keine Verwendung für die Ware hat. "Der Reiz liegt vor allem darin, dass der Inhalt unbekannt ist", erklärt Baschiri. Vor allem bei Jugendlichen komme das Konzept gut an.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. Juni 2024, 19:30 Uhr