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Apotheken-Streik: Darum ist es heute schwer, Medikamente zu bekommen

Ein Apotheker füllt Regale auf.
Bild: dpa | Monika Skolimowska

Viele Apotheken in Bremen und Bremerhaven bleiben geschlossen. Die Notdienste sind besetzt. Doch wieso streiken Apotheker und Apothekerinnen?

Die Türen der meisten Apotheken in Bremen und Bremerhaven werden heute geschlossen bleiben. Grund dafür ist ein Protesttag, mit dem die Apotheker und Apothekerinnen bundesweit auf Probleme in der Branche aufmerksam machen wollen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat zu der Protestaktion aufgerufen. Die Notdienste werden aber wie üblich besetzt sein, sagte eine Sprecherin. Menschen, die Medikamente benötigen, sollten sich vorab informieren, welche Apotheken gerade Notdienst haben.

Warum streiken die Apotheker und Apothekerinnen?

Laut dem Vize-Vorsitzenden des Bremer Apothekenverbandes, Thomas Real, hat der Protest vorwiegend drei Gründe: Medikamenten-Engpässe, Fachkräftemangel und Honorare. Vor allem seit der Corona-Pandemie kommt es in Deutschland immer wieder zu Knappheit bei verschiedenen Arzneimitteln. Das erschwert die Arbeit in der Branche. Außerdem fehlt es den Apothekern an Nachwuchs. Und nicht zuletzt möchten die Pharmazeuten und Pharmazeutinnen höhere Honorare erzielen.

Warum fordern sie höhere Honorare?

Für Real sei notwendig, die Honorare zu erhöhen, um den Beruf attraktiver und konkurrenzfähig zu machen. Die Apotheken selbst könnten dies aber nur bis zu einer bestimmten Grenze tun. Daher fordern sie eine bundespolitische Entscheidung. Die Apothekerverbände verlangen eine Erhöhung der Honorare für verschreibungspflichtige Arzneimittel von 8,35 Euro auf 12 Euro pro Packung. Dies sei nämlich seit 2013 unverändert.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat jedoch bereits angekündigt, dies werde im Augenblick nicht passieren. Der Grund: Sparzwang. Der SPD-Politiker sagte der Bild am Sonntag, die Krankenkassen klagten momentan über Finanzprobleme. Auf das Jahr 2022 berechnet, hätte die Forderung zusätzliche Kosten von etwa 2,2 Milliarden Euro verursacht.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) lehnt ebenfalls eine Erhöhung ab.

Die Vergütung der Apotheken durch die gesetzlichen Krankenkassen steigt unaufhörlich Jahr für Jahr aufgrund der immer höheren Preise für die einzelnen Arzneimittel. Dazu kommen weitere Erhöhungen wie bei der Dokumentationsgebühr oder der Vergütung von Notdiensten (…). Das alles zahlen die Versicherten mit ihren Beiträgen. Für zusätzliche Honorarsteigerungen an die Apotheken sehen wir keinen sachlichen Grund.

Jens Ofiera, Pressereferent GKV-Spitzenverband

Wieso fehlen in Deutschland immer wieder Medikamente?

Der Hauptgrund sind Lieferengpässe, die sich nach der Corona-Pandemie zugespitzt haben. Die Rohstoffproduktion findet fast ausschließlich außerhalb Europas statt, meistens in Asien. Kommt es dort zu Produktions- oder Lieferproblemen, schlägt sich dies auch in Deutschland nieder. Auch plötzlich steigende Nachfrage kann dazu führen.

Durch der steigende Kostendruck und die darauf folgende Verlagerung der Produktion auf andere Kontinente würden die Lieferwege länger und anfälliger, bestätigt Volker Bahr, Sprecher der medizinischen Firma medac. Außerdem hätten Deutschland und die Europäische Union darauf nicht mehr viel Einfluss.

Laut Apotheker Real seien die Preise für Medikamente in Deutschland ebenfalls zu niedrig. Wenn die Arzneimittel knapp sind, verkauften die Unternehmen an diejenigen, die am meisten bezahlen. Auch möchten die Apotheken knappe Medikamente flexibler austauschen können.

Reform ist in Vorbereitung

Blick auf den Fiebersaft mit dem Wirkstoff Paracetamol.
Auch Fiebersäfte für Kinder waren in den vergangenen Monaten immer wieder knapp. (Symbolbild) Bild: dpa | Jörg Carstensen

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte bereits vor einigen Monaten eine Reform angestoßen. Sie geht in die vorgeschlagene Richtung. Damit sollen unter anderem bei Ausschreibungen für patentfreie Antibiotika Hersteller, die in der EU produzieren, mehr Berücksichtigung finden.

Die Streichung von Rabattverträgen, verbindliche Lagerhaltungen und finanzielle Anreize sollen hingegen auch bei anderen Arzneimitteln dazu führen, dass den Produzenten, vor allem von Generika, der Kostendruck genommen wird. Damit soll es für sie wieder attraktiv werden, Deutschland zu beliefern. Auch sollen künftig Apotheken alle verschreibungspflichtigen Medikamente, die nicht in einem angemessenen Zeitraum lieferbar sind, gegen ein Präparat mit gleichem Wirkstoff austauschen dürfen. Der Gesetzesentwurf muss aber noch Bundestag und Bundesrat passieren.

Ob das ausreichen wird, um die Engpässe zu beseitigen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Für manche geht sie nicht weit genug.

Die Reform kratzt nur an der Oberfläche.

Andreas May, Bundesvorstand ADEXA

Hersteller begrüßen die Reform, wünschen sich aber an einigen Stellen "ein bisschen mehr Mut".

Da sind einige sehr gute Ideen im Gesetz drin. Die Frage ist immer, wie mutig man in der Umsetzung ist.

Volker Bahr, Sprecher Firma medac und BPI-Mitglied

Wieso fehlt es den Apotheken an Nachwuchs?

Der Fachkräftemangel macht auch vor Apotheken nicht halt. Zum einen sei die Zahl der Auszubildenden rückläufig, sagt Andreas May, Bundesvorstand der Apothekengewerkschaft ADEXA. Zum anderen hätten die Apotheken starke Konkurrenten.

Am Ende der Ausbildung locken stressfreiere und besser bezahlte Angeboten die Studenten, zum Beispiel in die Pharmaindustrie.

Andreas May, Bundesvorstand ADEXA
Junge Apothekerin steht an der Kasse in einem Apotheke (Symbolbild)
Ein offenbar immer seltener werdender Anblick: Den Apotheken fehlt im Augenblick der Nachwuchs. (Symbolbild) Bild: dpa | Westend61/Nina Janeckova

Außerdem wanderten viele junge Apotheker und Apothekerinnen in andere Branchen ab, wie die Krankenversicherungen, erläutert Real. Denn dort seien die Gehälter höher. Auch die steigende Bürokratie, etwa bei Lieferengpässen, ist laut Verbänden ein Problem.

Momentan liegt das Einstiegsgehalt für angestellte Apotheker und Apothekerinnen nach bundesweitem Gehaltstarifvertrag bei 3.895 Euro brutto. Nicht alle Apotheken sind jedoch tarifgebunden. Mit höheren Gehältern und weniger Bürokratie hoffen die Apotheker, in Zukunft mehr Nachwuchs zu finden.

Bremer Apotheker wollen mehr Geld verdienen – und bekommen Gegenwind

Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 14. Juni 2023, 6 Uhr