Im Faktencheck: Wie steht es wirklich um Bremens Verkehrswende?

Ein Radfahrer fährt im Ostertorsteinweg an einem Radständer in Form eines Autos vorbei. (Archivbild)

Faktencheck: Wie es um Bremens Verkehrswende wirklich steht

Bild: dpa | Sina Schuldt

Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) sieht Bremen bei der Verkehrswende gut aufgestellt. Wir haben ihre Aussagen geprüft und schauen, wie es wirklich aussieht.

Zitat: "Ich finde, es ist angebracht, konzentriert und verlässlich, in die Gespräche einzutreten mit vielen Menschen. Das ist der Radfahrer, das ist die Autofahrerin, das sind die Fußgänger."

Faktencheck: Ünsal betont immer wieder, dass sie in Gesprächen ist, um die Verkehrswende zugunsten aller umzusetzen. Wer das konkret ist, erklärte sie nicht. Allerdings haben verschiedene Verbände, zum Beispiel das Bremer Bündnis Verkehrswende, der Senatorin vorgeworfen, sie und die SPD insgesamt interessierten sich nicht für die Verkehrswende. Aktuell werde die "Wende gewendet".

Und das lässt sich auch an konkreten Zahlen belegen: Die Zahl der Autos in Bremen ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, die Zahl der ÖPNV-Nutzer ist gesunken. Einziger Lichtblick: Immer mehr Menschen in Bremen und Bremerhaven nutzen das Deutschlandticket. Wie sich das allerdings durch die Preiserhöhung ab Januar 2025 entwickelt, ist bisher unklar.

Zitat: "Ich bin sehr undogmatisch unterwegs. Das braucht es für die Verkehrswende. (...) Ich bin seit einem Jahr damit beschäftigt, mit vielen Versäumnissen der Vergangenheit aufzuräumen."

Faktencheck: Mit dieser Aussage hat Ünsal vor knapp einem Jahr ihr Amt angetreten. Durch die Blume bedeutet das vor allem: Sie fährt einen anderen Kurs als ihre Vorgängerin Maike Schaefer (Grüne). Die galt als Anti-Auto-Senatorin und Hardlinerin, mit ihren Verkehrsexperimenten in der Martinistraße und ihrem Ziel der autofreien Innenstadt ist sie oft angeeckt.

Ünsal hat dieses Ziel direkt zu ihrer Amtszeit begraben, hat betont, dass sie für alle Verkehrsteilnehmenden handeln wolle. Ob es das aber für die Verkehrswende braucht, ist fraglich: Verkehrsexperten sagen, dass Bremen zu autofreundlich ist. Es brauche mehr Tempo-30-Zonen, bessere Parkraumbewirtschaftung und besseren ÖPNV, um die Verkehrswende wirklich zu schaffen.

Die "Versäumnisse der Vergangenheit" zeigen sich aktuell vor allem bei den Bremer Weserbrücken: Alle Brücken müssen dringend saniert werden. Ab November ist zum Beispiel die Bürgermeister-Smidt-Brücke für vier Monate voll gesperrt, Beobachter befürchten einen Verkehrsinfarkt in der Innenstadt. Diese dringenden Projekte mit dem knappen Bremer Haushalt in Einklang zu bringen, ist aktuell die größte Herausforderung für das Verkehrsressort.

Zitat: "Der Parkraum ist nicht unendlich, und auch da sind wir in intensiven Gesprächen. Angefangen vom aufgesetzten Parken bis zu der Frage, wie groß Autos auf der Straße sein dürfen."

Faktencheck: So antwortet Ünsal auf die Forderung der Linken, dass größere Autos beim Anwohnerparken höhere Gebühren zahlen müssen. Erneut sagt die Senatorin, sie sei in intensiven Gesprächen und die Diskussion über die Parkraumbewirtschaftung sei nun eröffnet. Allerdings steht schon im Koalitionsvertrag, dass der Senat das Thema Parken und aufgesetztes Parken konkret angehen will. Dort heißt es: "Die Koalition wird deshalb aufgesetztes Parken dort stufenweise beenden, wo die Restgehwegbreite 1,50 Meter unterschreitet."

Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof im Juni mehr Druck bei dem Thema gemacht: Er hat den Bremer Klägern Recht gegeben, die ein härteres Vorgehen gegen das illegale aufgesetzte Parken gefordert haben. Die Senatorin versprach, man werde jetzt ein Konzept vorlegen und in Zusammenarbeit mit der Innenbehörde vorgehen. Passiert ist bisher noch nichts.

Zitat: "Wir sind Fahrradstadt Nummer Eins. Diese Fahne halten wir weiterhin hoch."

Faktencheck: Das stimmt: Laut dem ADFC-Fahrradklimatest war Bremen im Jahr 2022 bei den Großstädten auf Platz eins, was die Fahrradfreundlichkeit angeht. Allerdings: Bremen hat es mit der Gesamtschulnote 3,6 an diese Position geschafft. Heißt: Es gibt noch viel zu tun, bis die Stadt wirklich absolut fahrradfreundlich ist. Die Projekte wie die Radpremiumroute oder andere Prestigeprojekte stammen aus der Zeit von Maike Schaefer.

Laut aktuellem Koalitionsvertrag hat das Ressort von Özlem Ünsal noch hehre Ziele vor sich: "Schaffung klarer Radverkehrsführungen an Kreuzungen, Querverbindungsradwege in den Stadtteilen, Lückenschlüsse im bestehenden Radwegenetz, Priorisierung des Fuß- und Radverkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr an Baustellen, Ausbau komfortabler und geschützter Radwege, grüne Welle für Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer." Wann und in welchem Umfang das wirklich umgesetzt wird, ist aktuell unklar.

Was haben Sie mit Bremen vor, Frau Ünsal?

Bild: Radio Bremen

Mehr zu Verkehr in Bremen und Bremerhaven:

  • Schaefer: "Große Teile der Bevölkerung erwarten eine Verkehrswende"

    Die Bremer Handelskammer sträubt sich gegen eine autofreie Innenstadt, Mobilitätssenatorin Schaefer fordert dagegen die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen.

Autorin

  • Lisa-Maria Röhling
    Lisa-Maria Röhling

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 24. September 2024, 9:15 Uhr