Interview

Bremens Verkehrssenatorin fordert mehr Geld fürs 49-Euro-Ticket

Fahrgäste laufen auf einem Bahnsteig neben einem Regionalexpress (Archivbild)

49-Euro-Ticket: Bremens Verkehrssenatorin fordert Minister Wissing

Bild: dpa | pressefoto_korb | Micha Korb

Vielleicht gibt es nächstes Jahr kein Deutschlandticket. Bund und Länder streiten über die Finanzierung. Bremens Senatorin Ünsal sagt, wieso sie den Bund in der Pflicht sieht.

Elf Millionen Menschen haben sich bislang ein Deutschlandticket gekauft. Die Fahrkarte, die bundesweit beliebig viele Fahrten in allen Nahverkehrszügen und im ÖPNV für 49 Euro monatlich ermöglicht, gilt als großer Erfolg. Doch die Finanzierung des Tickets ist bislang nur für das laufende Jahr gesichert: Bund und Länder tragen die Kosten von geschätzt drei Milliarden Euro je zur Hälfte. Gleiches gilt für mögliche Mehrkosten, wie sie beispielsweise entstehen können, wenn die Verkehrsunternehmen durch das Ticket weniger Geld einnehmen als ursprünglich kalkuliert und Ausgleichszahlungen verlangen. Auch diese wollen sich Bund und Länder zur Hälfte teilen. 

Doch dazu ist der Bund in den kommenden Jahren nicht mehr bereit. Er will seine Beteiligung am Ticket auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr beschränken, hat Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kürzlich dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" gesagt – zum Ärger der Bundesländer. Damit ist die Zukunft des Deutschlandtickets ungewiss. buten un binnen hat mit Bremens Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD) über den Streit um die Fahrkarte zwischen Bund und Ländern gesprochen. 

Özlem Ünsal schaut in eine Kamera. Ünsal soll neue Bremer Bausenatorin werden.
Erwartet, dass Volker Wissing im Streit um die Finanzierung des Deutschlandtickets einlenkt: Bremens Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal. Bild: dpa | Carsten Rehder

Frau Ünsal, Sie müssen Sich vermutlich noch in Ihrer Senatorinnen-Rolle in Bremen einfinden, aber die Themen warten nicht. Eines ist das Deutschlandticket. Nach langem Hin und Her haben es Bund und Länder im Mai eingeführt. Jetzt wackelt die Finanzierung für das kommende Jahr. Verkehrsminister Wissing möchte die Beteiligung des Bundes eingrenzen. Was sagen Sie dazu?

Wir Länder fürchten nun, mit inflationsbedingten Mehrkosten alleingelassen zu werden. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Zudem ist für die Verkehrsunternehmen die Auskömmlichkeit des Tarifs nicht mehr erkennbar. Es geht um die zentrale Frage: Kann das Deutschland-Ticket 2024 weiterlaufen, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist? Dazu sagen wir: Kann es nicht – und deshalb bedarf es schnellstmöglich einer Klärung. 

Wir in Bremen setzen uns wie die anderen Länder für eine Fortführung des Deutschlandtickets ein. Dazu gibt es übrigens auch eine klare Beschlusslage aus dem Bundesrat. Wir gehen als Länder davon aus, dass der Bund das gemeinsam beschlossene Ticket auch weiter gemeinsam mit uns finanzieren wird. Dass Herr Wissing sagt, der Bund werde sich künftig nicht stärker an dem Ticket beteiligen als bisher, ist aus meiner Sicht kein guter Stil.

Man bringt nicht gemeinsam ein Kind zur Welt und zieht sich dann aus der Unterhaltsverpflichtung zurück.

Bremens Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD)

Fakten zum Deutschlandticket:

Das Deutschland-Ticket
Bild: Radio Bremen Quelle: VDV - Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

Die Kunden fragen sich mit Blick auf den Streit vor allem: Was wird das heutige 49-Euro-Ticket in den kommenden Jahren kosten?

Es ist zu früh, um das zu beziffern, wo doch die ganzen Verhandlungen noch laufen. Aktuell kann man auch noch nicht sagen, wie hoch die Einnahmeausfälle bei den Verkehrsunternehmen tatsächlich sind. Wir kennen zwar die Verkaufszahlen vom Deutschlandticket, haben aber noch keine verlässlichen Zahlen dazu, welche anderen Tarifangebote wegen des Tickets nun deutlich weniger nachgefragt werden.

Wenn der Bund bei seiner Haltung bleibt, nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für das Ticket in Aussicht stellt, steht die Tarifgenehmigung für das Deutschlandticket auf der Kippe. Das kann keiner wollen.

Aber klar ist, dass der Tarif für die Verkehrsunternehmen nicht auskömmlich ist. Im ungünstigsten Fall, wenn die Finanzierung nicht gesichert wird, müssten Verkehrsunternehmen aus dem Tarif aussteigen.

Vier Personen stehen an einem Geländer und schauen in die Ferne.
Volker Wissing bei seinem Besuch in Bremerhaven im Februar mit Häfensenatorin Claudia Schilling. Wissing möchte die Beteiligung des Bunds am Deutschlandticket deckeln. Bild: SWH

Dennoch sieht Volker Wissing offenbar die Länder stärker in der Pflicht als den Bund. Die Länder müssten Verkehrsverbünde zusammenlegen und so Betriebskosten senken, sagt er.

In den letzten Jahren wurden einige Verkehrsverbünde erweitert und andere zusammengelegt. Damit wird größeren Pendelweiten entsprochen und das Angebot kundenfreundlicher konzipiert. Die Zahl der Verkehrsverbünde ist aber nicht der entscheidende Faktor. Es gibt weitere Stellschrauben, um mehr Effizienz zu erzielen. Dazu gehört aus unserer Sicht vor allem die Digitalisierung. Da sind die Verkehrsunternehmen durch das Deutschlandticket natürlich noch stärker als bisher gefordert, sich dem Thema zuzuwenden. Aber das tun auch viele. Ebenso wie viele ihr Angebot ausweiten. 

Darüber hinaus müssen sie die Umstellung auf klimafreundliche Antriebe aus eigener Kraft stemmen. Das bedeutet immer auch den Neubau von Werkstätten und Betriebsstätten. Hinzu kommt der Kampf um qualifiziertes Fachpersonal, vor allem in Fahrdienst. Wenn man das alles zusammennimmt, dann müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Unsicherheit, die durch die aktuelle Diskussion hervorgerufen wird, nicht die Gestaltung der ÖPNV-Tarife oder sogar die Verkehrswende gefährdet.

Erhoffen Sie sich noch mehr Geld vom Bund als "nur" 1,5 Milliarden Euro jährlich plus eine Summe X für das Deutschlandticket?

Jetzt brauchen wir erst einmal eine Klärung zu den Anteilen des Bundes in 2024 und 2025 am Deutschlandticket. Wenn diese Zusage nicht zeitnah getroffen wird, also noch in diesem Quartal, so ist zu befürchten, dass die ersten Verkehrsunternehmen aus dem Deutschlandticket aussteigen.

Ich möchte das für Bremen noch einmal deutlich formulieren: Ich erwarte vom Bund, dass er, wie die Länder auch, auch 2024 und 2025 mögliche Kosten, die über 1,5 Milliarden Euro hinausgehen, mit trägt.

Bremens Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD)

Die Verantwortung liegt jetzt ganz klar beim Bund. Die Länder stehen zu ihren Zusagen. Ich erwarte außerdem, dass der Bund den Vorschlag der Länder eines einheitlichen Semestertickets als Deutschlandticket folgt, damit das dann zum Sommersemester 2024 für rund 29 Euro tatsächlich eingeführt werden kann. Das hängt aber alles zusammen. 

Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände arbeiten bereits gemeinsam an einem Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV. Und diesen benötigen wir auch, um gemeinsam deutschlandweit unsere Klimaziele zu erreichen. Ich gehe davon aus, dass wir bis Mitte 2024 ein Ergebnis haben, um ab 2025 die Finanzierung des Deutschlandtickets dann auch dauerhaft festzulegen. Damit das klappt, müssen die zeitlichen Prozesse jetzt aber ineinander greifen. Und das heißt auch: Klare Botschaften von Herrn Wissing in Richtung der Länder für Planungssicherheit.

Welche Neuerungen rund um den ÖPNV in Bremen haben Sie persönlich in den ersten Wochen als Mobilitätssenatorin bereits angestoßen?

Dazu gehören beispielsweise weitere Umstellungen auf E-Busse bei der BSAG, auch neue Betriebshöfe, aber auch der Ausbau des Busnetzes auf allen wichtigen Linien. Wir haben uns bessere Angebote am Wochenende und am Abend zum Ziel gesetzt. Aber auch der Umbau von Haltestellen für mehr Barrierefreiheit und die Optimierung von Tarifangeboten sind Themen, die ich mir auf die Agenda gesetzt habe. 

Für wen lohnt sich das Deutschland-Ticket wirklich?

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Nachrichten, 4. September 2023, 7 Uhr