Interview

Sudanese in Bremen: "Kenne Familien, wo Brüder gegeneinander kämpfen"

Rauchwolken über der sudanesischen Hauptstadt Khartum

Sudaner in Bremen: "Kenne Familien, wo Brüder gegeneinander kämpfen"

Bild: dpa | Ahmed Satti

Im Sudan finden gerade schwere Gefechte statt. Ein Bremer mit sudanesischen Wurzeln erzählt, wie er momentan auf die Lage in seinem Heimatland blickt.

Im Sudan toben seit Jahren unterschiedliche Konflikte. Im April dieses Jahres sind neue Kämpfe ausgebrochen, diesmal zwischen dem sudanesischen Militär und den paramilitärischen Milizen der "Rapid Support Forces" (RSF). Hintergrund ist ein Machtkampf zwischen dem sudanesischen Herrscher, Abdel Fattah al-Burhan, Oberbefehlshaber der Armee, und seinem Vize, Mohamed Hamdan Daglo, alias "Hemeti", der die RSF leitet.

Die blutigen Auseinandersetzungen haben bereits mehreren Hundert Zivilisten das Leben gekostet, mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht. Im Interview mit buten un binnen erzählt ein gebürtiger Sudanese, der in Bremen lebt, wie er die Situation in seinem Heimatland wahrnimmt und wie er helfen möchte.

Herr Mayo, sie leben seit fast zehn Jahren in Deutschland, haben aber noch Kontakt zu Ihrer Familie im Sudan. Was erleben sie gerade?

Meine Großfamilie lebt noch im Sudan, ich habe auch noch Freunde dort. Im Augenblick haben sie kaum Nahrungsmittel und Artikel des Grundbedarfs, denn diese kommen aus der Hauptstadt, sie ist aber komplett zerstört. Sie leiden sehr, sehr viel. Nicht nur meine Familie, sondern viele Familien im Sudan.

Sie leben aber nicht in der Hauptstadt Khartum, oder?

Nein, eigentlich in Nord-Darfur. Die Kämpfe finden aber auch dort statt. Sie haben [unter anderem, Anm.d. Red.] in Darfur angefangen und sind immer noch da. Die Menschen dort haben keine Freiheit, die Streitkräfte und Kämpfer dominieren die ganze Stadt. Die Leute können nicht frei herumlaufen, aus dem Haus zu gehen ist sehr gefährlich. Und es gibt keine Arbeit. Viele meiner Familienmitglieder sind Bauern, aber die Situation ist jetzt schwierig, sie schaffen es nicht zu arbeiten.

Und die Leute können nicht einfach zum Markt gehen, um dort etwas zu kaufen. Es gibt nichts mehr. Die Waren fehlen und, wenn es etwas gibt, ist es drei-, viermal so teuer wie früher. Früher haben die Menschen etwas von den Hilfsorganisationen bekommen, aber jetzt haben diese auch Angst, hinzufahren. Hinzu kommt das tägliche Risiko. In den größeren Städten bekämpfen sich die zwei Fraktionen, die Hauptstadt ist zerstört, viele Leute haben ihr Leben verloren. Die Lage ist katastrophal.

Können Sie regelmäßig mit Ihren Verwandten kommunizieren?

Früher ja, aber jetzt können wir nicht mehr täglich telefonieren wie früher. Sie haben momentan kein Internet, die Handys sind nicht erreichbar. Seit diesem Krieg haben sie schlechten Empfang. Wir haben also weniger Kontakt.

Wie fühlen Sie sich dabei?

Es ist schwierig. Wenn man zwei, drei Wochen lang keinen Kontakt zu der eigenen Familie hat und nicht weiß, was da passiert ist, und man jeden Tag zwei, dreimal versucht, dort anzurufen… Das ist ganz, ganz schrecklich. Man bekommt große Angst. Wir haben den Krieg schon mal erlebt, mein ganzes Leben eigentlich. Bis jetzt sind wir immer noch in Angst und im Krieg. Ich finde es sehr traurig.

Dies ist in der Tat nicht der erste Konflikt im Sudan. Wieso kommt das Land nicht zur Ruhe?

Weil die Machthaber immer noch an der Macht bleiben wollen und den jungen Menschen keine Chance geben. Sie kämpfen, um ihre eigenen Interessen zu schützen, nicht für das Volk. Es ist auch für manche Familien schwierig. Ich kenne einige, die haben zwei Brüder, einer kämpft bei der Armee und einer auf der anderen Seite. Das ist schlimm. In meiner Familie haben wir zum Glück eine solche Situation nicht, niemand kämpft.

Sie möchten aber den Menschen in Ihrem Herkunftsland helfen.

Ja, ich möchte hier eine Organisation gründen. Wir sind noch nicht fertig, aber wir haben schon Mitglieder und bereiten gerade alles vor. Ich muss als nächsten Schritt alles in Bremen anmelden, bei den Ämtern, damit es offiziell wird. Dann können wir weiterarbeiten. Vielleicht finden wir dann hier Unterstützer, um den Menschen dort zu helfen.

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 5. Mai 2023, 6:20 Uhr