Was darf man im Bremer Parlament sagen?

Bremische Bürgerschaft streitet über Kampf gegen Clan-Kriminalität

Bild: Radio Bremen

Die neue Wahlperiode startet mit teilweise persönlichen Angriffen bei einer Debatte zum Thema Clan-Kriminalität. Doch für die Aussagen gab es keine Ordnungsrufe.

Es war ein kleiner Eklat, den Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ausgelöst hatte, als er die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Wiebke Winter in seiner Rede angriff: "Wenn Sie nicht studiert hätten, hätte ich gesagt: 'Ja gut, Sie können das nicht anders.'" Für die CDU war das ein klarer Schlag unter die Gürtellinie, wie die Bürgerschaftsabgeordnete Christine Schnittker (CDU) sagte: "Das finde ich eine Frechheit den Menschen gegenüber in diesem Land, die tagtäglich ihrer Arbeit nachkommen und den Laden am Laufen halten, auch wenn sie nicht studiert haben."

Für die Aussage entschuldigte sich Mäurer anschließend: "Wenn dieser Eindruck entstanden ist, bitte ich das zu entschuldigen. Es war mitnichten meine Absicht, das zum Ausdruck zu bringen." Doch es blieb nicht der einzige scharfe Wortbeitrag in dieser Debatte zum Thema Clan-Kriminalität. Mittendrin war auch SPD-Innenpolitiker Kevin Lenkeit, der Winter ebenfalls mangelnde Kompetenz zusprach.

Ich finde es bedenklich, wenn eine promovierte Juristin fordert, frei Schnauze bei Clan-Mitgliedern Autos und Führerscheine einzuziehen. Das lässt mich dann ausnahmsweise mal nicht an der Schulbildung in Bremen zweifeln, sondern an der Juristenausbildung an Privatuniversitäten in Hamburg.

Ein Mann mit 3-Tage-Bart und Sakko schaut freundlich in die Kamera.
Kevin Lenkeit, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter

Doch Lenkeit ging noch einen Schritt weiter: Die Debatte zur Clan-Kriminalität sei nur angesetzt worden, weil Wiebke Winter versuche, "sich hier ein Law-and-order-Image aufzubauen – eine Art Wiebke-Gnadenlos." Und bezogen auf den rosa Anzug, den Winter in der Debatte trug, sprach Lenkeit von "viel Prosa in rosa".

Ordnungsruf nur bei "Verletzung der Ordnung und Würde des Hauses"

Die Debatte ging also hoch her – auch wenn es nicht explizit beleidigend wurde. Doch dürfen Abgeordnete in der Bürgerschaft alles sagen? Aus der Geschäftsordnung der Bürgerschaft geht hervor, dass Abgeordnete zur Ordnung gerufen werden sollen, wenn sie etwas sagen, das die Würde oder die Ordnung des Hauses verletzt. Das gilt demnach "insbesondere durch Formulierungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, entstellende, diskriminierende, rassistische oder beleidigende Meinungsäußerungen enthalten." Außerdem dürfen Abgeordnete beispielsweise nicht zu Straftaten aufrufen oder Maßnahmen verlangen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen."

In extremen Fällen oder – wie es in der Geschäftsordnung heißt – bei einer "nicht nur geringfügigen Verletzung der Würde oder der Ordnung des Hauses" kann die Bürgerschaft ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro verhängen. Vorab dazu muss der betroffene Angeklagte jedoch Gelegenheit haben, Stellung zu beziehen. Wird ein Abgeordneter während einer Sitzung gleich zweimal zur Ordnung gerufen, muss die Bürgerschaftspräsidentin dem Redner das Wort entziehen. Auch können Abgeordnete in bestimmten Fällen und unter gewissen Voraussetzungen sogar von Sitzungen ausgeschlossen werden.

In der vergangenen Wahlperiode gab es in der Bürgerschaft zwölf Ordnungsrufe, sagt eine Parlamentssprecherin buten un binnen. Davon gingen neun an Mitglieder der AfD und jeweils einer an die SPD, Bürger in Wut und die Linksfraktion. Davor habe es aber über viele Jahre keine Ordnungsrufe gegeben. Thomas Jürgewitz (AfD) wurde für die Aussage "Sozialisten und Nationalsozialisten, alle aus dem gleichen Holz!" zur Ordnung gerufen. Sofia Leonidakis (Linke) wurde ermahnt, nachdem sie Jürgewitz als "Nazi" bezeichnete.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 7. September 2023, 19:30 Uhr