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Neues Gesetz: Was die Pflegereform für Angehörige bringt

Eine Frau sitzt am Bett einer pflegebedürftigen Frau, die ein Buch liest (Symbolbild)

Neues Gesetz: Bundestag beschließt Pflegereform

Bild: Imago | Westend61

Mehr Pflegegeld und mehr Flexibilität: Der Bundestag hat die Pflegereform beschlossen. Was sich ändert – und was sich ändern müsste, erklären diese Bremer.

Der Bundestag hat am Freitag Änderungen in der Pflege beschlossen: Der Pflegebeitragssatz steigt ab Juli von 3,05 auf 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens. Kinderlose zahlen dann vier Prozent, Eltern mit mehr als zwei Kindern wiederum weniger, ab dem dritten Kind sogar weniger als heute. Zugleich sollen Leistungen in der ambulanten und stationären Pflege verbessert werden.

Was sind die wichtigsten Änderungen der Pflegereform für Angehörige?

Um die pflegenden Angehörigen zu entlasten, soll es mehr Pflegegeld geben. Pflegegeld zahlt die Pflegeversicherung an Menschen aus, die pflegebedürftig sind und sich von Angehörigen, Freunden oder Bekannten versorgen lassen und deren Leistungen dann davon bezahlen können. Die Höhe ist nach Pflegegraden, also der Intensität der Pflegebedürftigkeit, gestaffelt und beträgt maximal 901 Euro monatlich. Das monatliche Pflegegeld soll ab Anfang 2024 um fünf Prozent erhöht werden, 2025 sollen die Leistungen um weitere 4,5 Prozent angehoben werden.

Pflegende Angehörige sollen auch mehr bezahlte freie Tage zum Zweck der Pflege nehmen können: Sie bekommen bislang für maximal zehn Tage im Jahr Pflegeunterstützungsgeld, das bis zu 90 Prozent vom Nettolohn beträgt. Ab 2024 sollen die zehn Tage für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden können.

Entlastungen können Angehörige derzeit über die sogenannte Verhinderungs- und die Kurzzeitpflege bekommen. Das heißt, sie werden dann für einen gewissen Zeitraum in der Pflege vertreten. Bisher gab es dafür zwei jährliche Budgets, die künftig zu einem sogenannten Entlastungsbudget in Höhe von 3.539 Euro zusammengeführt werden, damit pflegende Angehörige flexibler darüber verfügen können.

Wie viele Pflegebedürftige gibt es im Land Bremen?

Im Land Bremen gibt es 42.048 Pflegebedürftige (Stand Dezember 2021), davon fast zwei Drittel Frauen, teilt das Statistische Landesamt mit. 5.903 Personen sind in einem Heim untergebracht, also in vollstationärer Pflege. Das muss nicht immer auf Dauer angelegt sein. Die Statistiker erfassen darin auch Menschen in sogenannter Kurzzeitpflege. Die Kurzzeitpflege soll für einen festgelegten Zeitraum pflegenden Angehörigen Entlastung bieten.

Pflegebedürftige im Land Bremen 5.903 36.145 42.048 26.457 15.591 Pflegebedür ftige im Land B r emen P ersonen sind in einem Heim unte r geb r acht leben zu Hause, in teilstationär en A ngeboten oder in Einrichtungen des bet r euten W ohnens.

Wie viele werden davon von Angehörigen gepflegt?

Die meisten Pflegebedürftigen – rund 86 Prozent (36.145 Personen) – werden jedoch außerhalb von Heimen versorgt: zu Hause, in teilstationären Angeboten, wie der Tagespflege oder in Einrichtungen des betreuten Wohnens. Davon erhalten 9.958 Personen Leistungen ambulanter Pflegedienste als Sachleistungen, während 21.209 Pflegebedürftige Geldleistungen, also Pflegegeld erhalten.

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Mit welchen Problemen kämpfen pflegende Angehörige?

"Pflege macht einsam", sagt Volker Donk, Gründer von Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige in Bremen. "Viele Angehörige können ihre Kontakte nicht aufrecht erhalten und es kommt zu einem inneren Rückzug. Das ist ein schleichender Prozess. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo man nur noch im Hamsterrad der Pflege ist, und sich selbst vergisst." In den Selbsthilfegruppen erlebten die Angehörigen viel Verständnis und Anerkennung, die ihnen sonst fehle, aber es gehe auch um ganz praktische Dinge wie Antragstellungen. "Es geht ganz viel um Wertschätzung. Was Angehörige leisten, ist nicht wirklich sichtbar, weil es zu Hause stattfindet." Zeit für sich wünschen sich viele von ihnen, aber das ist Zeit, die finanziert werden muss, weil dann jemand solange die Pflege übernehmen muss.

Auch Birgit Boche weiß von den Belastungen pflegender Angehöriger. Sie arbeitet als Beraterin in einem Bremer Pflegestützpunkt. Die Pflegestützpunkte sind Beratungsstellen rund um das Thema Pflege für Angehörige und Betroffene. Die Beraterinnen und Berater helfen auch bei verschiedenen Antragstellungen."Es fällt vielen nochmal schwerer, sich mit bestimmten Sachen, wie Anträgen, auseinanderzusetzen, wenn sie den ganzen Tag mit der Pflege beschäftigt sind", sagt Boche. Ihre Erfahrung aus vielen Beratungen: Die Angehörigen wissen nicht, wie sie die Pflege finanzieren sollen.

Viele Angehörige merken: Ich kann mich zwar für die Pflege von der Arbeit freistellen lassen, aber wie mache ich das dann finanziell? An Pflegegeld gibt es maximal 901 Euro monatlich und das bei höchster Pflegebedürftigkeit im Pflegegrad 5, das ist ein Fulltimejob. Das ersetzt kein Einkommen bei Berufstätigkeit.

Birgit Boche, Beraterin in einem Bremer Pflegestützpunkt

Wo gibt es Hilfe und Beratung?

Beratung rund um das Thema Pflege bieten im Land Bremen die sechs Pflegestützpunkte: in Bremerhaven, Bremen-Vegesack, Bremen-Vahr, Bremen-Huckelriede, Bremen-Huchting und Bremen-Gröpelingen. Beraterinnen wie Birgit Boche helfen den Ratsuchenden, sich im Dickicht aus Leistungen und Anträgen zurechtzufinden. "Es gibt zum Beispiel so viele Begrifflichkeiten und die Betroffenen wissen oft erst gar nicht, was dahintersteckt. Da erzählt dann eine Person: 'Ich habe eine Putzfrau von der Krankenkasse.' Damit meint sie, sie hat einen Pflegegrad, bekommt eine Entlastungsleistung, also Pflegegeld von der Pflegekasse und kann davon eine Haushaltshilfe bezahlen."

Die Beraterin hofft, dass es in Zukunft für Angehörige leichter wird, mit der Bürokratie zurechtzukommen, die mit der Pflege auf sie zukommt. "Viele, die Entlastungen wirklich bräuchten, beantragen sie gar nicht. Das müsste einfacher gemacht werden. Bisher ist es aber bei jeder Gesetzesänderung immer nur noch komplizierter geworden."

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Kann die Pflegereform die Probleme Angehöriger lösen?

Reinhard Leopold, Bremer Regionalbeauftragter des Biva-Pflegeschutzbunds, einer Interessenvertretung von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern und von Pflege Betroffenen, hält die angekündigten Verbesserungen für unzureichend und zu spät. "Pflegende Angehörige sind der größte Pflegedienst Deutschlands – etwa 80 Prozent pflegen allein oder mit Unterstützung von ambulanten Diensten ihre Liebsten, bis zur vollständigen Selbstaufgabe und zum Teil, bis sie selbst physisch und psychisch es nicht mehr leisten können. Die Politik verlässt sich darauf, dass sie die Bevölkerung weiterhin ausnutzen kann", sagt er. "Es bräuchte für die häusliche Pflege eine vernünftige Lohnersatzleistung."

Selbsthilfegruppen-Gründer Volker Donk: "Jetzt soll bei den Geldleistungen nicht mehr unterschieden werden und man kann sich das selbst einteilen, das finde ich ganz gut. Wo es anfängt, herumzuhaken, das ist die Pflegegelderhöhung. Aus den Gruppen weiß ich, dass die Kosten für Angehörige explodieren. Da ist eine Erhöhung von fünf Prozent ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist eine schöne Geste, aber zehn Prozent sollten es auf jeden Fall sein."

Noch weiter geht Heinz Rothgang, Pflegeforscher an der Universität Bremen: "Die Pflegegelderhöhung soll die Inflation ausgleichen. Wir haben aber eine Inflation von 23 Prozent. Daher bräuchten wir eine Erhöhung von mindestens 20 Prozent." Das Gesetz insgesamt bezeichnet er als sehr enttäuschend. "Das Wesentliche steht nicht im Gesetz, gerade was die Finanzierungssachen angeht, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden."

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Was muss sich aus der Sicht von Angehörigen noch ändern?

Mehr Zeit wünschen sich viele Angehörige, weiß Volker Donk. Das ist bisher im Rahmen eines monatlichen Entlastungsgeldes möglich. Man kann es in Höhe von 125 Euro monatlich beantragen und sich davon beispielsweise eine Haushaltshilfe suchen. "Das ist eine gute Idee, weil viele pflegende Angehörige eine 24-Stunden-Pflege haben. Es geht um ein paar Stunden Entlastung, dass man mal durchatmen, mal rausgehen, sich auch mal zum Kaffetrinken treffen kann. Das müsste aber noch viel weiter ausgebaut werden."

Eine weitere Möglichkeit, sich mehr Zeit zu schaffen ist aus seiner Sicht die Tagespflege. "In Bremen setzen immer mehr Einrichtungen auf Tagespflege. Da werden die Pflegebedürftigen zwischen 8 und 9 Uhr zu Hause abgeholt und gegen 15 Uhr wieder zurückgebracht. Dadurch entstehen für die Angehörigen Zeitfenster und die sind einer der großen Entlastungsfaktoren. Das müsste noch viel mehr mit Geld unterfüttert werden."

Donk wünscht sich außerdem, dass Beratungsangebote rund um die Pflege besser publik gemacht werden, dass man sie besser findet. "Viele Angehörige sind erstmal komplett überfordert, auch mit den ganzen Anträgen, und viele wissen nicht von den Pflegestützpunkten."

So wollen Forscher in Bremen die Pflege verbessern

Bild: Radio Bremen

Autorin

  • Patel Verena
    Verena Patel Redakteurin und Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 26. Mai 2023, 7 Uhr