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Pflegefamilien gesucht: So können Bremerinnen und Bremer helfen

Eine Familie frühstückt gemeinsam.
Das Leben in einer Familie steht für ein Leben in Gemeinschaft. Gemeinschaftserlebnisse im Alltag wie das Frühstück mit den Pflegeeltern geben Kinder Halt. Bild: Imago | Westend61

Immer mehr Kinder geraten in Not – doch immer weniger Familien nehmen Pflegekinder auf. Dabei kann es erfüllend sein, einem Kind ein Zuhause zu geben.

Wenn ein Kind nicht mehr bei seinen leiblichen Eltern bleiben kann, weil es dort Probleme gibt, wird es vom Jugendamt in Obhut genommen. Die Zahl der Kinder, die aus Krisensituationen geholt werden, steigt – das ist ein bundesweiter Trend. Doch es gibt nicht genug Pflegefamilien.

Aktuell leben in Bremen etwa 560 Kinder in einer Vollzeitpflegefamilie. Der Pool von Familien, die bereit sind, ein Pflegekind bei sich aufzunehmen, hat sich laut der zuständigen Fachstelle PiB (Pflegekinder in Bremen) in den vergangenen Jahren halbiert. Wir fassen zusammen, was die Aufnahme eines Pflegekindes bedeutet, und wie man Pflegemutter beziehungsweise Pflegevater werden kann:

Was ist eine Pflegefamilie überhaupt?

Pflegeeltern nehmen ein Kind auf, betreuen und erziehen es, wenn es nicht bei seinen leiblichen Eltern aufwachsen kann. Die Pflegefamilie soll dem Kind stabile Strukturen, Zuwendung und Halt geben – für eine kürzere Zeit oder langfristig. Dabei muss es nicht die traditionelle Familienform sein. Die Fachstelle PiB wünscht sich Vielfalt im Pflegeeltern-Pool. Auch zum Beispiel Unverheiratete, Alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Paare können Pflegeeltern werden.

Warum nehmen Menschen Kinder bei sich auf?

Einem Kind einen guten Start in Leben zu bieten, kann eine sehr bereichernde Aufgabe sein, berichten die Beteiligten. "Für mich ist es kein Beruf, sondern eine Berufung", sagt Kathrin Weise, die ihr Zuhause momentan mit ihrem 14. Übergangspflegekind teilt. Sie gibt den Babies, die jeweils für einige Monate bei ihr wohnen, Nähe und Geborgenheit.

"Gerade die ganz Kleinen werden ja von jetzt auf gleich von ihrer leiblichen Mutter weggeholt und denen kann man das nicht erklären. Auf einmal sind sie in fremden Händen, in einer fremden Umgebung. Das riecht alles anders, sieht alles anders aus. Ich muss dann versuchen, dem Kind die Mutter so gut wie möglich zu ersetzen", sagt Kathrin Weise.

In der Zeit, wo es hier ist, bin ich seine Mutter.

Kathrin Weise, Pflegemutter

Welche Arten von Pflegefamilien gibt es denn in Bremen?

Es gibt die "Übergangspflege", das sind Pflegefamilien, die spontan reagieren können, wenn es eine Krisensituation gibt. Sie nehmen dann ein Kind für ein paar Wochen oder Monate bei sich zuhause auf und geben ihm ein geborgenes Umfeld, bis geklärt ist, ob das Kind zu seinen Eltern zurückkehrt oder ob es in eine sogenannte "Vollzeit-Pflegefamilie" ziehen kann. Dort kann es bis zum 18. Geburtstag oder darüber hinaus bleiben. 

Dieses zweistufige Modell ist insbesondere für jüngere Kinder der Idealfall. In der Realität gibt es aber nicht genügend Pflegepersonen in Bremen. Das bedeutet, dass nicht alle Kinder in die Geborgenheit einer Familie kommen, sondern in Heimen, Wohngruppen oder heimähnlichen Einrichtungen untergebracht werden.

Kann es Probleme geben, wenn die Kinder von der einen zur anderen Familie wechseln müssen?

Eigentlich sollte die Übergangslösung nicht länger als drei Monate dauern, sonst wird die Bindung zwischen dem Kind und den Übergangseltern zu stark. Doch in der Realität verstreicht oft viel mehr Zeit, bis eine Pflegefamilie gefunden ist.

"Manche meiner Kolleginnen hatten auch schon Kinder in Übergangspflege, die blieben ein Jahr, oder auch zwei oder drei Jahre", berichtet Kathrin Weise: "Für diese Kinder ist die Übergangspflegefamilie dann ihre Kernfamilie. Und sie erleben einen Bruch, wenn sie aus dieser Familie in eine Vollzeitpflegestelle kommen – in eine völlig fremde Umgebung. Viele dieser Kinder verlieren das Urvertrauen und entwickeln Bindungsstörungen." Deshalb wäre es wichtig, dass die Vermittlung schneller geht, aber dafür braucht es einen größeren Pool von passenden Pflegeeltern.

Warum finden sich zu wenige Familien in Bremen, die eine Vollzeitpflegestelle anbieten?

Die Zahl der Kinder, die in Obhut genommen werden, steigt. Gleichzeitig sei die Bezahlung für Pflegeeltern nicht besonders attraktiv, sagt die Geschäftsführerin von PiB, Judith Pöckler-von Lingen. Die genaue Summe ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Generell gilt: Eine Vollzeitpflegefamilie bekommt pro Monat für ein Kind 275 Euro Erziehungsgeld für ihre Arbeit. Zusätzlich gibt es noch Zuschüsse für Sachaufwendungen, die sich – abhängig vom Alter des Kinders – zwischen etwa 640 und 920 Euro bewegen. Für die Erziehung von Kindern mit Beeinträchtigungen und höherem Förderbedarf gibt es mehr Geld.

Die Rahmenbedingungen für Pflegeeltern orientieren sich am Familienmodell der 50er Jahre. Da sind die Frauen meist zuhause geblieben und haben die Kinder versorgt, die Männer haben das Geld verdient. Das passt natürlich zur heutigen Situation überhaupt nicht mehr.

Geschäftsführerin "Pflegekinder in Bremen", Judith Pöckler-von Lingen

PiB fordert unter anderem, dass es künftig Elterngeld auch für Pflegeeltern gibt. Denn bisher lassen sich Berufstätigkeit und Pflegekind nicht gut vereinbaren. PiB hat es daher schwer, Pflegefamilien zu finden. Viele Interessierte kämen zwar zu den Info-Veranstaltungen, würden sich dann aber nicht als Pflegefamilie bewerben.

Für welche Altersstufen werden Pflegeeltern gesucht?

Für alle Altersstufen werden Übergangs- aber auch Vollzeiteltern gesucht. Vom Baby bis zum Jugendlichen. Denn auch Jugendlichen tut es gut, wenigstens noch für ein paar Jahre Halt in einer Familienstruktur zu finden.

Interessierte Eltern können sich bei einem Infoabend der Fachstelle Pflegekinder in Bremen informieren. Diese Abende finden jeden ersten Dienstag im Monat statt, die genauen Termine stehen auf der Webseite der Fachstelle.

Wieso Bremen mehr Pflegeeltern braucht

Bild: Radio Bremen

Autorin

  • Nina Cöster
    Nina Cöster Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. Juli 2023, 19.30 Uhr