Hintergrund

Die Latzel-Chronik: Wie ein Pastor Bremens Gerichte beschäftigt

Olaf Latzel, Pastor der evangelischen Bremer St.-Martini-Kirche, vor Beginn der Revisionsverhandlung am Bremer Oberlandesgericht (OLG) im Bremer Justizzentrum.
Olaf Latzel stand zum vierten Mal vor Gericht. Bild: dpa | Eckhard Stengel

Der vierte Prozess gegen Olaf Latzel ist am Mittwoch gegen eine Geldauflage eingestellt worden. Dem Pastor der St. Martini-Gemeinde wird Volksverhetzung vorgeworfen. Eine Chronologie.

19. Oktober 2019:

In einem Seminar mit dem Titel "Biblische Fahrschule zur Ehe" in der evangelischen St. Martini-Gemeinde spricht Pastor Olaf Latzel über Gender und Homosexuelle. Die Rede ist etwa von "Gender-Dreck", von den "Verbrechern vom Christopher-Street-Day" oder auch von der "Homo-Lobby": "Dieses Teuflische, kommt immer stärker, immer massiver, drängt immer mehr hinein."

Latzel ist wegen seiner bibeltreuen Auslegung des Christentums seit Jahren umstritten. Ihm werden immer wieder Homophobie und Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Bereits im Jahr 2015 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen einer islamfeindlichen Predigt, stellt die Ermittlungen aber ein.

April 2020:

Nachdem die Gemeinde die Aussagen des Seminars auf Youtube gestellt hat, wird die Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Der Staatsschutz der Bremer Polizei nimmt Ermittlungen gegen Olaf Latzel auf. Der Vorwurf: Volksverhetzung.

Mai 2020:

Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) distanziert sich von Olaf Latzel. "Als Kirche wenden wir uns gegen jede Form von Gewalt und auch von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit", sagt der Schriftführer Bernd Kuschnerus. Die BEK leitet ein Disziplinarverfahren gegen Latzel ein.

Juli 2020:

Die Bremer Staatsanwaltschaft sieht den Vorwurf der Volksverhetzung als erfüllt an. Sie erhebt Anklage gegen Olaf Latzel. Der bestreitet die Vorwürfe. Er habe mit seinen Aussagen nicht homosexuell lebende Menschen generell gemeint, sondern nur "militante Aggressoren", die die Gemeinde immer wieder angegriffen hätten.

August 2020:

Nachdem er einige Wochen nicht mehr gepredigt hatte, darf Olaf Latzel vorerst wieder auf die Kanzel, soll sich aber in seiner Wortwahl mäßigen. Auf diesen Kompromiss verständigen sich BEK und St. Martini-Gemeinde. Das Disziplinarverfahren gegen Latzel läuft aber weiter.

20. November 2020:

Pastor Olaf Latzel steht vor Prozessbeginn im Gerichtssaal.
Olaf Latzel mit Maske in der "Glocke" während einer Verhandlung. Bild: dpa | Sina Schuldt

Vor dem Amtsgericht Bremen beginnt die Hauptverhandlung gegen Olaf Latzel. Aufgrund der Corona-Pandemie und des großen öffentlichen Interesses findet der Prozess im Konzerthaus "Glocke" statt.

25. November 2020:

Das Amtsgericht verurteilt Latzel wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro, insgesamt also 8.100 Euro. Die Amtsrichterin sieht es als erwiesen an, dass Latzel mit seinen Aussagen die Menschenwürde von Teilen der Bevölkerung angegriffen und diese verächtlich gemacht habe. Latzels Anwalt kündigt Rechtsmittel gegen das Urteil an.

16. Dezember 2020

Die Bremische Evangelische Kirche suspendiert Latzel mit sofortiger Wirkung.

16. April 2021

Die Bremische Evangelische Kirche teilt mit, dass Ende März auf einer nicht-öffentlichen Sitzung der Disziplinarkammer der BEK eine Einigung mit Latzel erzielt wurde. Ergebnis: Latzel darf unter Auflagen wieder predigen, das Disziplinarverfahren der BEK gegen ihn ruht bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit.

20. Mai 2022:

Das Landgericht Bremen spricht Latzel im Berufungsverfahren vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Zuvor hatten Gutachter vor Gericht darüber gestritten, ob Latzels Aussagen im Einklang mit den Aussagen der Bibel stünden. Richter Hendrik Göhner begründet sein Urteil schließlich damit, dass Latzels Äußerungen im Grundsatz von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt seien. Latzels Aussagen seien als Kritik an gesellschaftlichen Konzepten zu werten, jedoch nicht als Attacke auf konkrete Menschen. Der Pastor habe nicht zum Hass angestachelt. Die Staatsanwaltschaft legt daraufhin Revision ein.

24. Februar 2023:

Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hebt das Urteil des Landgerichts auf. Das Verfahren wird an das Landgericht Bremen zurückverwiesen. Das OLG bezeichnet die Urteilsbegründung des Landgerichts als ungenügend – außerdem seien Beweismittel nicht ausreichend geprüft und bewertet worden. Einer möglichen Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage, die sich Gericht und Verteidigung hätten vorstellen können, widersetzt sich die Generalstaatsanwaltschaft. Man wolle in diesem Fall ein Urteil.

28. August 2024:

Das Verfahren gegen Pastor Olaf Latzel beginnt vor dem Landgericht Bremen von Neuem.

Wie extremistische Einstellungen in der Gesellschaft zunehmen

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. August 2024, 19:30 Uhr