Überleben in der Nordsee: So hart ist das Offshore-Sicherheitstraining
Windpark-Mitarbeiter lernen in Bremerhaven, was bei einem Notfall auf hoher See zu tun ist. Denn sie arbeiten unter Extrembedingungen weit draußen in der Nordsee.
Es ist dunkel. Nur Blitze durchzucken das Schwarz. Wind peitscht ihnen ins Gesicht. Zehn Männer kämpfen hier ums Überleben. Neongelbe Rettungswesten halten sie gerade so über Wasser.
Zum Glück ist alles aber nur eine Simulation. Die zehn Männer, die sich gerade durch die vermeintlich raue See kämpfen, arbeiten für die Offshore-Branche und trainieren, wie sie sich bei einem Notfall in einem Windpark auf hoher See richtig verhalten müssen.
Im Ernstfall ist die Lage noch schlimmer
"Das Wetter wird schlechter, beeilt euch, gleich ist hier die Hölle los", ruft Thorsten Lieb den Teilnehmern zu. Lieb ist Sicherheitsausbilder der RelyOn Nutec Germany GmbH in Bremerhaven, die solche Trainings anbietet. Bisher habe es noch keine großen Notfälle auf hoher See gegeben, alle Mitarbeiter müssen aber auf den Ernstfall vorbereitet sein. "Man hat da ganz viele Probleme auf einmal und man muss das nach der Priorität ordnen: Was tue ich jetzt zuerst", erklärt Lieb.
In Wirklichkeit ist das Wasser kälter, die Welle ist höher und von der Situation ist es ja nicht kontrolliert. Hier ist alles abgesichert. Da draußen gibt es keinen Knopf zum Ausschalten.
Thorsten Lieb, Sicherheitsausbilder der RelyOn Nutec Germany GmbH
10.000 Teilnehmer aus aller Welt
Alle zwei Jahre muss jeder, der im Offshore-Bereich arbeiten will, ein Überlebenstraining absolvieren. Aber nicht nur das, weitere Kurse sind Pflicht: von Erster Hilfe bis hin zur Brandbekämpfung. Am Überlebenstraining auf hoher See im Trainingszentrum in Bremerhaven nehmen pro Jahr rund 1.000 Offshore-Mitarbeiter aus aller Welt teil, darunter Techniker, Ärzte, Maler und Küchenpersonal.
Insgesamt zählt das Trainingscenter jährlich rund 10.000 Teilnehmer. Neben dem Offshore-Training gibt es unter anderem Kurse zu Erster Hilfe, Brandbekämpfung und Arbeiten in Höhen.
Auf Teamarbeit kommt es an
Robin Götz ist beim Überlebenstraining in Bremerhaven zum ersten Mal dabei. Ab Juni wird der 24-Jährige vor der französischen Küste Windenergieanlagen bauen. "Ich suche das Abenteuer, ich möchte international arbeiten und vor allem mit erneuerbaren Energien, um das Ganze voranzutreiben, ein Teil davon zu sein."
Gemeinsam mit den anderen Teilnehmern muss er es jetzt bis zur Rettungsinsel schaffen. "Und los und paddeln! Arme schön raus aus dem Wasser – schön durchs Wasser ziehen. Jawoll", ruft Sicherheitsausbilder Lieb durch die Halle, "weiter und weiter und gegenseitig helfen, keiner ist alleine."
Über den Männern ertönen plötzlich Geräusche eines Rettungshubschraubers – natürlich ist es hier in der Halle kein echter. Ein Scheinwerfer leuchtet durch eine kleine Öffnung in die Rettungsinsel. Ein Seil wird heruntergelassen. Jetzt heißt es: einhaken und hochziehen lassen. Die meisten sind völlig außer Atem.
Noch nicht vorbei
Nach einer Stunde Theorieunterricht und rund drei Stunden in der Schwimmhalle haben es die Teilnehmer aber noch nicht geschafft. Nun geht es raus in den Handelshafen. Dort trainieren die Offshore-Mitarbeiter den Umstieg vom Boot auf eine Windkraftanlage. Da es die hier aber nicht gibt, muss ein Gerüst herhalten.
Robin Götz hat es geschafft. "Ein gutes Gefühl, aber auch schon ein bisschen beängstigend, wenn man weiß, was für Wellen da teilweise sein können auf dem Meer", sagt er. Er wünscht sich, dass er das Gelernte nie anwenden muss: "Ich hoffe, dass ich den Job sehr lange machen kann und das erfolgreich und ohne Unfälle."
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 26. April 2023, 19:30 Uhr