Interview

Bluthochdruck, Schlafstörung, Depression: So krank macht Bremens Lärm

Autos, Fahrräder und Straßenbahnen am Stern in Bremen. (Bildmontage)

Bremen veröffentlicht aktualisierte Lärmkarten

Bild: Radio Bremen | Martin von Minden

Straßenlärm belastet mehr als 300.000 Menschen in Bremen. Was das für ihre Gesundheit bedeutet, erklärt der Epidemiologe und Lärmforscher Hajo Zeeb.

Die Stadt Bremen hat ihre Lärmkarten aktualisiert. Sie zeigen, wo in Bremen besonders viel Lärm durch Autos, Straßen- und Eisenbahnen, Flugzeuge oder Gewerbe entsteht. Warum das für Bremerinnen und Bremer wichtig ist, erklärt der Epidemiologe und Lärmforscher Hajo Zeeb.

Epidemiologe Hajo Zeeb
Der Epidemiologe Hajo Zeeb ist vielen Bremern als Corona-Experte bekannt. Seit Jahren erforscht er zudem die gesundheitlichen Folgen von Lärm. Bild: Radio Bremen

Herr Zeeb, ab wann wird Lärm für Menschen eigentlich zur Belastung?

Das hängt von der Art des Lärms ab. In der Forschung gehen wir grundsätzlich davon aus, dass es tagsüber so bei um die 40 Dezibel beginnt. Beim Schlaf liegt die Zahl wohl schon ein wenig tiefer bei rund 35 Dezibel.

Das ist deutlich geringer als jene Zahlen, die in den Bremer Lärmkarten verzeichnet sind, die ab einer Belastung von 55 Dezibel beginnen.

Ja, das liegt auch daran, dass man für präzisere Messungen sehr genaue Lärmdaten bräuchte, die wir nicht zur Verfügung haben. Außerdem ist die Belastung in den niedrigeren Bereichen noch sehr gering. Dennoch können auch sie sich auf die Gesundheit auswirken. Natürlich sprechen wir da als Folge nicht von Schwerhörigkeit. Es geht eher um chronische Erkrankungen.

Lärmkarte Bremen Straßenlärm Schienenlärm Gewerbelärm Fluglärm Lärm in Bremen tagsüber Farge-Vegesacker Eisenbahn Stahlwerk Industriehäfen Airport A1 / Bremen-Hemelingen A27 / Bremen-Vahr A27 / Bremen-Überseestadt A27 / Bremen-Indistriehäfen 55-59 dB 60-64 dB 65-69 dB 70-74 dB ab 75 dB Lärmbelastung in Dezibel (dB) Mercedes-Werk Güterverkehrszentrum

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Welche zum Beispiel?

Es gibt unterschiedliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa Bluthochdruck oder Herzinfarkte, die mit Lärm assoziiert werden. Eine Reihe von Studien bringen auch Depressionen in Verbindung mit Lärm. Darüber hinaus gibt es das Phänomen der Lärmbelästigung, das immer wieder in Studien thematisiert wird. Das kann Folgen haben für die Schlafqualität, aber auch für die Psyche. Hier scheint vor allem Fluglärm einflussreich zu sein, weil er so episodisch auftritt.

Gibt es eine Art schlimmsten oder lästigsten Lärm für Menschen?

Alle Lärmquellen haben ihre eigene Unannehmlichkeit. Aber die Studien weisen darauf hin, dass tatsächlich Schienenlärm den größten Einfluss der typischen Lärmarten hat. Fluglärm hingegen ist gar nicht so sehr durch seine Lautstärke, sondern durch sein sporadisches Auftreten, besonders einflussreich. Für manche Gesundheitseffekte ist Fluglärm sogar eher ungünstiger zu bewerten als die anderen Lärmarten.

Welche Auswirkungen haben Lärmspitzen, zum Beispiel durch Autoposer oder junge Leute, die nachts mit tragbaren Boxen ganze Straßenzüge beschallen?

Solcher Lärm geht zwar nicht in Lärmkarten ein, weil er mal hier und mal dort auftritt. Klar ist aber, dass diese Ereignisse ein hohes Potenzial für die schon angesprochene Lärmbelästigung haben, auch wenn sie sich nicht in messbar auftretenden Erkrankungen äußern. Dennoch können die Begleiterscheinungen bis hin zu Depressionen führen, wenn so was in einem Quartier eben nicht nur ab und zu mal passiert, sondern in gewisser Regelmäßigkeit. Und so etwas kann dann zum Beispiel auch über Fragebögen getestet werden.

Eine Straßenbahn und Autos fahren morgens im Berufsverkehr durch die Stadt.
Eine Verlagerung von Teilen des Pendlerverkehrs in den ÖPNV könnte die Lärmbelastung in Bremen senken, sagt Hajo Zeeb. Bild: dpa | Melissa Erichsen

Kommen wir mal zurück zum Dauerlärm, wie er in den Lärmkarten dokumentiert wird. Was kann Bremen tun, um die Stadt ein wenig leiser zu machen?

Da muss man wieder die verschiedenen Lärmarten unterscheiden. Flüstergleise oder verbesserte Lärmwände sind da für den Bahnverkehr Beispiele. Auch das Management der Zeitpläne von Personen- und Güterzügen kann angepasst werden, sodass zum Beispiel weniger Verkehr in der Nacht herrscht. Beim Neubau von Trassen kann darüber nachgedacht werden, Gleise eher durch nicht so dicht besiedelte Regionen zu legen, wenn das möglich ist. Das wird ja auch immer wieder beim Bau neuer Trassen zur Versorgung der Häfen diskutiert.

Ähnlich sieht es beim Straßenverkehr aus. Da geht sehr viel über technische Mittel bis hin zu Reifen und Straßenbelägen. Mit E-Autos wird sich zudem sicher etwas ändern. So wird auch die Lärmbelastung im Straßenverkehr insgesamt eher sinken.

Und dann haben wir noch den Flugverkehr. Da gibt es zwei klassische Ansätze: einerseits die Flieger technisch leiser machen und andererseits Nachtflugverbote, wie wir es hier in Bremen machen.

Wie steht Bremen in puncto Lärmbelastung im Vergleich zu anderen Großstädten da?

Die Belastung in Bremen ist meiner Einschätzung nach durchaus typisch für eine Stadt dieser Größe.

Und wo sehen Sie Hotspots und Handlungsbedarf?

Das ist sicherlich der Bereich um den Bahnhof, weil sich da einfach verschiedene Verkehrswege treffen. Dazu kommen die Hauptverkehrsstraßen und die Stadtautobahnen, wo die Verkehrsbelastung hoch ist. In den einzelnen Vierteln ist das durchaus unterschiedlich. Hier ist zwar klar, dass die Durchgangsstraßen immer mehr belastet sind als die Nebenstraßen. Dennoch tragen auch die Nebenstraßen, die oftmals nicht so genau kartiert werden, nicht unerheblich zur Lärmbelastung bei. Das sollte nicht unterschätzt werden.

Wären Maßnahmen wie Tempo 30 ein Mittel, um Verkehrslärm zu senken?

Es geht darum, eine Balance zu schaffen zwischen dem nötigen Verkehr und dem, was man an Belastung verhindern möchte. Tatsächlich können Geschwindigkeitsbeschränkungen ganz klar eine Rolle spielen, aber insgesamt auch eine Verringerung sowie ein gezieltes Steuern des Verkehrsaufkommens zu bestimmten Stoßzeiten. Mehr Busse und Bahnen sowie ein günstiges ÖPNV-Ticket können dazu beitragen.

Dieser Text wurde erstmals am 26. Januar 2023 veröffentlicht.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 26. Januar 2023, 15 Uhr