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Bremen hat zu wenig Schlafplätze für Kinder in Not

Ein kleines Mädchen sitzt weinend auf dem Fußboden seinem Zimmer.
Bild: dpa | Patrick Pleul

Das Jugendamt hat erstmals gefragt, ob Mitarbeitende von Betreuungseinrichtungen Kinder und Jugendliche im Notfall bei sich aufnehmen können. Das sorgt für Irritationen.

Wenn der Kinder- und Jugendnotdienst in Bremen ausrückt, wird es meist ernst. Wenn zum Beispiel Nachbarn, Angehörige oder Freunde Alarm geschlagen haben, dass in einer Familie etwas nicht in Ordnung scheint, dann kommt ein Tandem aus Mitarbeitenden von Jugendamt und Sozialeinrichtung vorbei und schaut nach dem Rechten. Ist die Lage zu brenzlig, dann werden die Jungen oder Mädchen von der Stadt in Obhut genommen – zu ihrem Schutz. 60 Plätze gibt es für solche Fälle in Bremen in Heimen und Wohneinrichtungen und bei Übergangspflegefamilien. Ist das genug?

Die Situation ist durchaus angespannt. Und es gibt in einzelnen Situationen für bestimmte Zielgruppen Schwierigkeiten, genug Plätze für jedes Wochenende zu finden, weil dann nur noch ein Notplatz für eine bestimmte Zielgruppe da ist. Und dann wird es eng.

Rolf Diener, Landesjugendbehörde Bremen

Unterschiedliche Plätze für verschiedene Bedürfnisse

Das Problem laut Diener: Zwischen zwei und manchmal zehn Kinder und Jugendliche müssen in Bremen pro Wochenende übergangsweise aufgenommen werden. Doch die Behörde weiß vorher nicht, wie viele Fälle genau es werden. Und der Notdienst weiß auch nicht, wen er am Ende versorgen muss: Jungen, Mädchen, Säuglinge, Kleinkinder oder Jugendliche? Für die unterschiedlichen Bedürfnisse stehen unterschiedliche Plätze zur Verfügung. Ihre Zahl einfach zu erhöhen, würde nichts bringen, denn die Träger von Heimen und Jugend-Wohneinrichtungen finden einfach kein Personal, um aufstocken zu können. Im Gegenteil: Manche ziehen sich aus den Inobhutnahmen sogar zurück, weil sie das Geschäft nicht mehr stemmen können. Das Bremer Jugendressort ist alarmiert.

„Das hat viel mit dem Fachkräftemangel in der sozialen Arbeit zu tun. Das ist ein bundesweites Problem. Fast alle Kommunen stehen vor der gleichen Herausforderung. Zusätzliche Herausforderung ist, dass die Zahl der sogenannten Bereitschaftspflegefamilien, die auch Kinder und Jugendliche in Obhut nehmen, langsam zurückgeht“, so Diener von der Landesjugendbehörde. Weil die Not groß war und für das anstehende Wochenende offenbar keine Übergangsschlafplätze in Bremen frei waren, fragte eine Jugendamtsmitarbeiterin vor ein paar Tagen jetzt bei Einrichtungen an, ob Pädagoginnen oder Sozialarbeiter notfalls Kinder bei sich zuhause betreuen könnten.

Manche Mitarbeitende empfinden Vorgehen als grenzwertig

Das hat für Irritation gesorgt. Als "grenzwertig" wird diese Vorgehensweise von manchen Mitarbeitenden empfunden. Dabei gibt es im zuständigen Ressort längst Überlegungen, wie die immer mal wieder auftretenden Engpässe bei den Inobhutnahmen in Bremen vermieden werden können, so der Sprecher der Jugend- und Sozialsenatorin, Bernd Schneider.

Da gibt es durchaus den Ansatz, dass man sich an fachlich erfahrene Personen wendet, die nicht direkt beim Träger im operativen Geschäft tätig sind. Die sich aber unter Umständen vorstellen können, auch ein Kind selber mit nach Hause zu nehmen, und dann für die Übergangspflege für wenige Tage oder auch mal zwei, drei Wochen zu betreuen.

Bernd Schneider, Sprecher Jugend- und Sozialressort

Die Idee ist keine Bremer Erfindung. Ein entsprechendes Modell gibt es schon in anderen Städten, etwa in Frankfurt – offenbar rechtlich abgesichert.

Laut Medienberichten aber fühlen manche der Angefragten dort einen moralischen Druck durch die Behörden. Und das ist schlecht: Schließlich sprechen viele Menschen, die beim Jugendamt Bremen arbeiten, seit langem davon, dass sie am Limit sind. Eine der Bremer Inobhutnahme-Einrichtungen musste jüngst wegen hohen Krankenstandes beim Personal eine Wohngruppe schließen. Grund war offenbar keine Grippewelle, sondern mehrere Fälle von langwierigen Erkrankungen durch Arbeitsstress der Pädagogen. so ist es zu hören.

Für den FDP-Jugendpolitiker Ole Humpich sei es deswegen ein No-Go, dass Sozialarbeiterinnen jetzt auch noch Kinder mit nach Hause nehmen sollen. Diese Überlegungen zeigten nur, wie schlecht das Bremer System aufgestellt sei, so Humpich.

Ähnlich sieht es die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Hetav Tek: Eine dienstliche Anweisung zum "Mit-nach-Hause-nehmen" wäre ein absoluter Tabubruch. Der ohnehin schon belastende Job verlagere sich noch mehr für die Mitarbeitenden ins eigene Heim, so Tek.

Bleibt die Frage, ob Kinder und Jugendliche in Bremen Angst haben müssen, dass sie nicht den Schutz bekommen, den sie brauchen – weil kein Inobhutnahmeplatz für sie frei ist. Rolf Diener von der Landesjugendbehörde widerspricht:

Meine Erfahrung ist, dass tendenziell eher auf Nummer Sicher gegangen wird. Wenn es eine Abwägungsentscheidung ist: Muss der Junge jetzt wirklich in Obhut oder nicht. Da geht man eher auf die sichere Seite, als da auch nur ein kleines Risiko einzugehen.

Rolf Diener, Landesjugendbehörde

Das hat Bremen aus dem Fall "Kevin" gelernt, bei dem 2006 ein zweijähriger Junge in Fürsorge des Jugendamtes von seinem drogenabhängigen Ziehvater getötet wurde.

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Autor

  • Folkert Lenz
    Folkert Lenz

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 16. Februar 2024, 17:10 Uhr