Das haben Bremerhavener mit und ohne Handicap beim Job-Tausch erlebt
Die bundesweite Aktion "Schichtwechsel" will Arbeit inklusiver machen. In Bremerhaven haben ein Hotelier und eine Frau mit Handicap neue Jobs probiert – und viel gelernt.
Menschen mit Behinderung haben es oft nicht einfach im Arbeitsleben. Während in Schulen das Thema Inklusion immer weiter verbreitet ist, ist das in Unternehmen noch selten der Fall. Genau da setzt der bundesweite Aktionstag "Schichtwechsel" an. Im Zuge dieser Aktion haben überall in Deutschland Menschen mit und ohne Behinderung ihren Arbeitsplatz getauscht. So war zum Beispiel ein Bremerhavener Hotelier für einige Stunden in einer Werkstatt der Elbe-Weser-Welten (EWW) zu Gast – und eine Beschäftigte von dort hat im Hotel reingeschnuppert.
Helle Funken sprühen, eine blau-weiße Flamme leuchtet hell auf. Piet Rothe darf das erste Mal ans Schweißgerät. Der Bremerhavener Hotelier steckt in einem Blaumann. Vor seinem Gesicht eine dunkle Schutzmaske. Als er die absetzt, strahlt er: "Man fühlt sich ein bisschen wieder wie ein Kind, was neue Sachen lernen darf."
Hotelier will Bewusstsein schaffen und Barrieren abbauen
Rothe ist zum Aktionstag "Schichtwechsel" in der Metallwerkstatt der EWW in Bremerhaven. Hier stellen Menschen mit Handicap Gartentore, Dekoration oder Treppengeländer her. Auch Rothe darf etwas bauen. Sein neuer Kollege in der Werkstatt erklärt dem Hotelier die Arbeitsschritte und was gebaut wird – nämlich Gartendeko. Martin Januschewski arbeitet seit mehr als acht Jahren bei der EWW, er hat Multiple Sklerose.
Rothe ist auch Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Bremerhaven. Er macht beim Aktionstag mit, weil er in seiner Branche für mehr Inklusion werben will, sagt er. Aber nicht nur.
Wir haben natürlich auch Fachkräftemangel und erweitern unsere Sichtweise einfach, versuchen Einblicke zu bekommen und das Thema auch an die Mitglieder heran zu bringen, Barrieren abzubauen. Wir wollen einfach ein bisschen das Bewusstsein und die Sensibilität erhöhen.
Piet Rothe, Hotelier und Dehoga-Vorsitzender
Zeigen, was Menschen mit Handicap können
Und während Rothe in der Metallwerkstatt werkelt, packt Christine Sacher im Hotel mit an. Hausdame Madeleine Spiesl zeigt der Frau mit Handicap wie man ein Hotelbett macht. Sie sei früher einmal Krankenschwester gewesen und habe nun direkt festgestellt, dass die Betten dort ganz anders gemacht werden als im Hotel. Sacher hat eine psychische Erkrankung, leidet unter Angststörungen. Neue Situationen machen sie nervös. Deshalb ist sie am Ende des Tages sehr zufrieden mit sich.
Es hat total Spaß gemacht. Was ich geschafft habe – und das ist eigentlich der größte Erfolg – ich bin nicht weggelaufen, sondern ich habe es hier im Hotel ausgehalten. Das ist der größte Schritt.
Christine Sacher, "Schichtwechsel"-Teilnehmerin
Sacher arbeitet über die EWW bei einem Verband für Menschen mit Behinderung. Ihr geht es mit der Aktion daher auch darum zu zeigen, dass Menschen mit Handicap etwas können. Dass man mit ihnen nur manchmal etwas mehr Geduld braucht.
Dass ich heute hier war und gezeigt habe: Mensch mit Behinderung – kann ganz nett sein. Wenn wir das heute geschafft haben, haben wir viel erreicht.
Christine Sacher, "Schichtwechsel"-Teilnehmerin
Und auch Rothe zieht ein positives Fazit der Aktion. "Es ist toll, es bringt Spaß", sagt der Hotelier. "Man kommt mal so ein bisschen aus seinem eigenem Mikrokosmos raus."
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 12. Oktober 2023, 17:40 Uhr