Großeinsatz der Bremer Polizei: Proteste nach Verurteilung von Lina E.
Im Steintor demonstrierten etwa 350 Menschen gegen die Verurteilung einer Linksextremistin. Gut 70 Personen nahm die Polizei vorläufig in Gewahrsam.
In Bremen haben nach Polizeiangaben etwa 350 Menschen gegen die Verurteilung einer Linksextremistin demonstriert. Unter anderem über Twitter war zur Teilnahme an der unangemeldeten Demonstration im Steintor aufgerufen worden. Die Polizei war mit zahlreichen Kräften zwischen der Sielwallkreuzung und dem Ziegenmarkt im Einsatz. Unterstützt wurden die Bremer Beamten von Kollegen aus Niedersachsen und der Bundespolizei.
Auch ein Wasserwerfer und ein Räumfahrzeug standen vor Ort für einen Einsatz bereit. Ein Polizeiwagen wurde beschädigt. Rund 70 Personen wurden von der Polizei vorläufig in Gewahrsam genommen. Von ihnen wurden 56 zum Polizeipräsidium gebracht worden. Alle wurden inzwischen wieder entlassen.
Für Straßenbahnen der Linien 2, 3 und 10 wurde der Bereich gesperrt. Nach Angaben der Polizei bewarfen vermummte Personen die Einsatzkräfte mit Glasflaschen und Steinen. Auch Pyrotechnik und Böller sind gezündet worden. Die Polizei bat auf Twitter darum, das Gebiet zwischen Sielwall und Brunnenstraße zu meiden.
Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten
Das Oberlandesgericht Dresden hatte die Linksextremistin Lina E. am Mittwoch zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil gegen die 28-jährige Studentin und die drei mitangeklagten Männer war mit Spannung erwartet worden. Ihnen werden mehrere gewalttätige Angriffe auf Neonazis und vermeintliche Anhänger der rechten Szene zur Last gelegt, die sie zwischen 2018 und 2020 in Wurzen, Leipzig und im thüringischen Eisenach verübt haben. Mehrere Menschen wurden dabei teils schwer verletzt.
Nach dem Urteil befürchteten die Sicherheitsbehörden eine neue Welle der Gewalt. In einem als linksextremistisch eingestuften Internetportal drohten autonome Gruppen für jedes Jahr Haft mit Sachschäden in Millionenhöhe. In Bremen hatte die Polizei schon vor der Urteilsverkündung mitgeteilt, wegen möglicher Straftaten und Protestaktionen "verstärkt Präsenz" zeigen zu wollen.
Die Polizei Bremen stellt sich als Vorsichtsmaßnahme für den Tag des Urteils und in den darauffolgenden Tagen auf diese Lage ein und hat entsprechend mehr Kräfte im Dienst.
Bremer Polizei in einer Pressemitteilung
Linke Szene ruft zu "Tag-X-Demo" in Leipzig auf
Für Samstag ruft die linke Szene bundesweit zu einer "Tag-X-Demo" in Leipzig auf. Die Polizei rechnet mit einem "teilweise unfriedlichen Verlauf mit hohem Schadenspotenzial" und bereitet sich auf einen Großeinsatz vor.
Inzwischen ist Lina E. vorerst wieder auf freiem Fuß. Nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft werde der Haftbefehl gegen sie gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, sagte Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Dresden, zum Abschluss der Urteilsbegründung. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig wird.
Warum müssen Demos angemeldet werden?
Laut Versammlungsgesetz gilt: "Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen." Es gibt aber auch Ausnahmen, zum Beispiel wenn das Ziel der Versammlung als verfassungswidrig gilt oder eine als verfassungswidrig eingestufte Partei/Organisation eine Versammlung abhalten möchte.
Das muss laut Gesetz bis spätestens 48 Stunden vor Beginn der Versammlung geschehen. Dabei müssen der Grund der geplanten Kundgebung und eine als Leiter verantwortliche Person genannt werden.
Durch die Anmeldung soll sichergestellt werden, dass der Versammlung der erforderliche Schutz, zum Beispiel vor Gegendemonstranten, gewährleistet werden kann. Die rechtzeitige Anmeldung soll es der zuständigen Behörde zudem ermöglichen, mögliche Auswirkungen auf Dritte auszugleichen, beispielsweise durch geeignete Verkehrsregelungen.
Für Versammlungen, die sich aus aktuellem Anlass augenblicklich bilden, gilt eine Ausnahme. Bei solchen sogenannten Spontanversammlungen entfällt die Anmeldepflicht. Denn das Grundgesetz schützt auch das Recht, sich spontan zu versammeln.
Zum Beispiel wenn der Veranstalter oder der Zweck der Versammlung als verfassungswidrig eingestuft werden. Weitere Verbotsgründe wären unter anderem, dass im Vorfeld bekannt wird, dass der Veranstalter Teilnehmern das Mitführen von Waffen erlauben will oder dass die Versammlung für Straftaten genutzt werden soll, zum Beispiel dem Anzünden von Fahrzeugen.
Sie kann laut Versammlungsrecht unter anderem aufgelöst werden, sobald sie einen "gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt", zum Beispiel durch Krawalle, oder wenn "unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht". Das Gleiche gilt, wenn der Veranstalter das Tragen von Waffen durch Versammlungsteilnehmer nicht unterbindet oder wenn aus der Versammmlung heraus zu Straftaten aufgefordert wird oder Staftaten begangen werden.
Je nach Schwere drohen Geldstrafen oder Haftstrafen bis zu drei Jahren.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 31. Mai 2023, 21 Uhr