Bergsport ohne Berge? Wie Bremer Sportler das Gebirge ersetzen
Skifahrten, Klettertouren, Flüge mit Gleitschirm: All das kann man auch im flachen Bremen machen, manches davon sogar besser als im Gebirge. Bremer Sportler sagen, wie.
1 Skifahren ohne Schnee
Offensichtlich sei der Anblick für manch einen Passanten noch gewöhnungsbedürftig, stellt Peter Pleus fest. "Wo bleibt das Gewehr?", werde er immer mal wieder gefragt, wenn er mit einer seiner Sportgruppen im Park unterwegs ist. Pleus bietet beim Bremer Ski-Club einen Skiroller- und Nordic Blading-Kurs an. Dabei fahren die Teilnehmer auf Rollen Ski. Der Bewegungsablauf insbesondere beim Nordic Blading erinnere offenbar viele Leute an Biathlon, erklärt Pleus die Frage nach dem Gewehr und fügt hinzu: "Wir haben schon einen ziemlichen Exotenstatus in Bremen."
"Wir" – das sind derzeit etwa zehn Männer und Frauen, die, organisiert beim Bremer Skiclub, mit Skirollern oder mit Inline-Skatern, unbedingt aber mit modifizierten Langlaufstöckern durch Bremer Parks oder über die Deiche fahren. Während man sich auf Skirollern, die wie abgesägte Ski aussehen, praktisch genauso bewege wie beim klassischen Skilanglauf, komme der Bewegungsablauf beim Nordic Blading, auch Nordic Inlineskating genannt, eher einer Freistiltechnik nahe, erklärt Pleus. In beiden Fällen sei der Trainingseffekt sehr gut, auf Skirollern sogar noch ein bisschen größer als beim Nordic Blading.
Der Gegenwind auf dem Deich tut sein Übriges. Er ersetzt die Berge.
Peter Pleus
Die meisten Sportlerinnen und Sportler, die auf Skirollern durch Bremens Parks oder um den Werdersee fahren, seien auch gern im Gebirge und auf richtigen Ski unterwegs, sagt Pleus. Als reine Ersatzhandlung aber will er das Nordic Blading ebenso wenig verstanden wissen wie Fahrten auf dem Skiroller. "Ich fahre damit genauso gern wie auf richtigen Ski", sagt Pleus. Es gehe ihm um das Naturerlebnis mit Stöckern in der Hand. Und dank der Räder funktioniere das eben nicht nur bei Minusgraden im Schnee, sondern auch bei 30 Grad plus im Hochsommer.
2 Klettern ohne Fels
Bis vor zehn oder 15 Jahren seien die meisten Leute zum Bouldern gekommen, um auf diese Weise auch im Winter das Klettern zu trainieren – nur eben nicht an einer Felswand, sondern an einer künstlich hergerichteten Wand in einer warmen Turnhalle. "Heute haben wir ganz viele Kunden, die niemals einen Fels anfassen werden", sagt Michel Weis, Geschäftsführer der Boulder Base Bremen. Das Bouldern habe sich vom Berg- zu einem Hallensport entwickelt, der noch dazu boomt: "Es werden immer mehr", so Weis über das Bouldern und seine Anhänger.
Bouldern – das ist ungesichertes Klettern in Absprunghöhe. Maximal 4,5 Meter dürfen die Kletterwände dabei in die Höhe ragen. Die Kletterer bewegen sich über einer knapp 30 Zentimeter dicken Fallschutzmatte. Und doch sei beim Bouldern einiges vom ursprünglichen Klettern in den Bergen übriggeblieben, berichtet Weis. Jede Woche entwickele sein Team neue Kletterrouten für die Wände in den Hallen der Boulder Base. Und diese Routen mit ihren Anforderungen an die Kletterer seien üblicher Weise den Gegebenheiten orignialer Felswände präzise nachempfunden.
"Am Fels ist anders"
Noch enger als die meisten Freunde des Boulderns orientieren sich die Kletterer des Bremer Alpenvereins (genauer: Deutscher Alpenverein Sektion Bremen e.V.) an den Anforderungen, die das Klettern in den Bergen an Sportler stellt. Der Verein hat dafür vor gut sieben Jahren das Bremer Kletterzentrum in der Robert-Hooke-Straße gegründet: eine Kletterhallte mit über 2.000 Quadratmetern Kletterfläche und rund 230 Routen, indoor wie outdoor.
Hier kann man auch in bis zu 14 Metern Höhe klettern – gesichert am Seil. "Mit Seil klettert man grundsätzlich zu zweit", erklärt Dieter Mörk, Vorsitzender des Bremer Alpenvereins: "Einer klettert, der andere sichert." Beides wolle gelernt sein, zumal das Sichern. Während der Kletterer über einen Klettergurt, der um die Hüfte geht, mit dem Seil verbunden ist, führt derjenige, der ihn sichert, das Seil durch ein Sicherungsgerät nach. Rutscht der Kletterer ab, so dass er herunter zu stürzen droht, klemmt das Seil infolge des strammen Zugs ab. "Das funktioniert so ähnlich wie beim Sicherheitsgurt in einem Auto bei einer scharfen Bremsung", erklärt Mörk.
Zwar liege auch diese Form des Kletterns im Trend. Anders als beim Bouldern kann sich Mörk aber nicht vorstellen, dass sich das Klettern am Seil zu einem reinen Hallensport entwickelt. "Am Fels ist anders", laute ein geflügeltes Wort unter Kletterer, sagt er und fügt hinzu: "Wir lieben die Berge." Aus diesem Grund bringe der Alpenverein nicht nur die Berge in den Norden, sondern eben auch die Bremerinnen und Bremer in die Berge.
3 Fliegen mit Gleitschirm, aber ohne Berg
Kommt es beim Klettern in der norddeutschen Tiefebene tatsächlich darauf an, das Fehlen der Berge zu kompensieren, so geht es Gleitschirmfliegern weniger um die Berge an sich als um die Höhe, die sie benötigen, um fliegen zu können. Die Lösung: "Wir lassen uns von einer Winde hochziehen", sagt Martin Petri, Vorsitzender des Drachen- und Gleitschirmclubs Weser e.V.
Hierzu, so Petri, legen die Gleitschrimflieger zunächst ein Seil an einer Winde mit Elektor-Motor etwa einen Kilometer lang aus. In das Ende des Seils klinkt sich der Pilot mit seinem Gleitschirm ein. Dann holt der Windenfahrer das Seil etwa 700 Meter ein, sodass der Gleitschirm aufsteigt.
Das ist wie Drachen steigen lassen.
Martin Petri
Ab einer Geschwindigkeit von rund 25 Kilometern pro Stunde könne ein Pilot mit Gleitschirm eigenständig fliegen, so Petri. Jetzt löst der Pilot die Verbindung und fliegt in einer Höhe von etwa 300 bis 500 Metern, während der Windenfahrer das Seil einholt.
Zwar benötigen die Gleitschirmflieger große Freiflächen für ihr Hobby, von denen es um Bremen nicht viele gibt. Dennoch habe das Gleitschirmfliegen im Flachland einen großen Vorteil gegenüber dem Fliegen vom Berg, erklärt Petri: "Wir fliegen mit Thermik, also mit aufsteigender warmer Luft." Bleibe diese aufsteigende Luft aus, so halte sich ein Gleitschirm nicht lang in der Luft. Im Flachland sei das kein Problem, so Petri: "Man kann mit der Winde schnell mehrere Versuche nacheinander starten."
Im Gebirge aber lägen die Dinge anders: "Wenn Du da einmal unten angekommen bist, musst Du für den nächsten Flug erst einmal wieder hoch. Und das kann Stunden dauern", sagt der Experte. So gesehen habe das Gleitschirmfliegen im Bremer Umland gegenüber jenem im Gebirge sogar große Vorzüge. Umso mehr würde sich Petri freuen, wenn sich weitere Flugbegeisterte Männer und Frauen dem Drachen- und Gleitschirmclub Weser anschlössen: Der Verein mit seinen rund 25 aktiven Fliegerinnen und Fliegern hofft auf weitere Mitglieder.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. Juni 2023, 19.30 Uhr