ADHS? Dieser Bremer erzählt von seinem Weg zur Diagnose
Scheitern ist für viele Menschen ein Tabu-Thema. Doch der Bremer Rüdiger Winkler spricht offen darüber – für ihn gehört es dazu. Er besucht eine Selbsthilfegruppe für ADHS.
Sätze, die man vom Bremer Rüdiger Winkler hört sind: "Ich habe Probleme, mich altersgerecht zu verhalten. Ich finde immer noch dieselben Sachen toll wie mit zwölf." Oder: "Ich bin relativ geübt darin zu scheitern, kann man sagen. Ich bin schon oft gescheitert, an vielen Dingen."
Aber auch: "Ich bin kein komisches Pferd, sondern ein ganz normales Zebra." Diese Sätze lassen den Zuhörer aufhorchen – und vielleicht auch zusammenzucken. Winkler sagt sie im Bremen Zwei Podcast "Eine Stunde reden".
Zappelphilipp in der Grundschule, Abi fast nicht geschafft
Dort berichtet er aus seinem Leben. Und da steht gerade jede Menge Arbeit an. Denn er hat so viel erreicht, was er nicht verlieren möchte: Job, Familie, Freizeit – das möchte er weiterhin meistern, auch wenn es nicht immer ganz einfach mit ihm ist, so seine Selbsteinschätzung. Deswegen geht er das Thema ADHS – Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom, eine Stoffwechsel- und Funktionsstörung im Gehirn – jetzt an und besucht eine Selbsthilfegruppe.
Die Lage ist ernst, es qualmt und brennt gerade gewaltig, zeichnet er ein sprachliches Bild für Probleme mit anderen Menschen in seinem Umfeld.
Ich bin relativ geübt darin zu scheitern, kann man sagen. Ich bin schon oft gescheitert, an vielen Dingen.
Rüdiger Winkler
Schon seine Grundschulzeugnisse beschreiben ihn als Zappelphilipp, er ist beinahe durchs Abitur gerasselt und hatte es im Studium schwer. Auch im Job funktioniert Winkler nicht immer so, wie er sollte. Wenn er etwas nicht oder nicht richtig macht, beispielsweise zu spät kommt oder etwas vergisst, dann nicht absichtlich, sondern weil er es manchmal nicht besser kann.
Es gab auch schon sehr entscheidende Momente, in denen ihm seine Schusseligkeit übel mitgespielt hat. So sitzt er beispielsweise einen Tag zu spät im Zug zu einem Bewerbungsverfahren als Fluglotse oder gibt für die Bewerbung bei einer Bank einen Fragebogen nicht ab.
Adrenalin-Kick als Ausgleich
Dazu kommt seine Schwäche für alles, was Action bringt: Mountainbike, Motocross, Motorräder. Ohne Action fehlt ihm etwas. Die Herausforderung bestehe darin, das richtige Maß zu finden, es nicht zu übertreiben.
Er zehrt lange von einem Tag mit dem Downhill-Fahrrad in den Harburger Bergen. Dort hat er auch schon andere – wie er sagt – "Zebras" getroffen und empfindet es fast schon als Therapie, sich dort sportlich auszutoben.
Tochter lässt Winkler quasi Superkräfte entwickeln
Über Superkräfte spricht er im Zusammenhang mit seinen Töchtern, seinem Hund und seinem handwerklichen Geschick. Die Papa-Superkräfte zu entfalten war anstrengend, denn seine erste Tochter ist behindert zur Welt gekommen.
Obwohl er nicht immer funktioniert wie jeder andere, hat er alles erreicht, was er wollte: Job, Haus, Familie. Dafür ist er dankbar, insbesondere seiner Frau, die mit ihm durch dick und dünn geht.
Zwei Nervenzusammenbrüche hat er hinter sich, fand dabei beispielsweise nicht mehr aus der Gemüseabteilung eines Supermarkts heraus. Auch Angststörungen haben ihm zu schaffen gemacht.
Diagnostik ist der nächste Schritt für Winkler
In der Klinik war er nicht, auch Medikamente wie Ritalin waren bisher noch kein Thema in seiner Biographie – obwohl das, als er klein, war sogar mal überlegt wurde. Aber seine Mutter war dagegen. Heute sieht er es anders, will sich ADHS diagnostizieren und sich gegebenenfalls medikamentös einstellen lassen.
Von Beruf ist der Diplom-Geologe Probennehmer für ein mikrobiologisches Labor. Aufgewachsen in West-Berlin freut er sich, die vor allem vor der Wende enge Stadt hinter sich gelassen zu haben. Sein zu Hause ist am Bremer Stadtrand. Winkler berichtet offen und ehrlich über sein Spannungsfeld – und das ist nachzuhören im Bremen Zwei Podcast.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Eine Stunde reden, 8. Februar 2024, 21 Uhr