Interview
Ein Werder-Fanclub mitten in Hamburg – Wie kommt man auf so eine Idee?
"Verde e Bianco Pazzo" hält Werder im "Feindesland" die Treue. Gründer Tristan Rodgers über den kuriosen Clubnamen, Friedenspfeifen mit HSV-Fans und geteiltes Leid bei Nordderbys.
Werder-Fans sind auf der ganzen Welt verstreut. Von nah und fern bejubeln sie Siege der Bremer oder leiden mit bei grün-weißen Niederlagen. Viele von ihnen organisieren sich in einem der rund 750 Fanclubs, die laut eines Registers auf der Vereinshomepage existieren. Auch an exotischen Orten sind "Werder-Gemeinden" beheimatet, etwa im westafrikanischen Sierra Leone, im syrischen Damaskus oder in der jamaikanischen Kleinstadt Ocho Rios.
16 von ihnen liegen hingegen mitten im "Feindesland" – und zwar in Hamburg. Einer davon ist der "Verde e Bianco Pazzo". Im Interview erzählt Gründungsmitglied Tristian Rodgers, wie die Idee eines eigenen Fanclubs kam, welche Geschichte hinter dem ungewöhnlichen Namen steckt und wieso er dem HSV den Aufstieg wünscht.
Herr Rodgers, Sie und zwei Mitstreiter haben den Fanclub vor drei Jahren ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Kennengelernt haben wir drei uns schon vor fünf, sechs Jahren über unsere Jobs. Aber erst bei einem Kneipenabend Ende 2019 merkten wir, dass wir alle für Werder brennen. Kurz darauf kam leider die Corona-Pandemie. Als man sich dann wieder treffen durfte, haben wir uns auf das "Froggys", einer Nachbarschaftskneipe in Eimsbüttel nahe der Schanze, als festen Sitz zum Fußballschauen geeinigt. Von da an meldeten sich immer wieder Werder-Fans bei uns, die mitbekommen hatten, dass es mitten in Hamburg eine Gruppe von Leuten gibt, die gemeinsam Werder-Spiele guckt. Und seitdem werden wir immer mehr. Inzwischen haben wir 36 Mitglieder.
Getauft habt ihr den Fanclub auf den Namen "Verde e Bianco Pazzo". Was hat es damit auf sich?
Wir haben alle eine Vorliebe für italienische Restaurants in Hamburg und da unser zweites Treffen in einem davon stattfand, sollte sich das auch im Clubnamen ausdrücken. Übersetzen könnte man den Namen mit "verrücktes Grün und Weiß". Auch die legendäre, aber erfolglose Kooperation mit Juventus Turin, die Werder unter Thomas Eichin (Eichin war zwischen 2013 und 2016 als Sport-Geschäftsführer bei Werder tätig, Anm. d. Red.) ins Leben gerufen hatte, spielte dabei eine Rolle. Der Name, der ungefähr zwischen dem dritten und vierten Bier entstand, ist auch eine Hommage daran.
Wie haltet ihr es denn mit dem großen Rivalen? Gibt es Verbindungen zu HSV-Fans?
Klar, unter unseren Arbeitskollegen, Verwandten und Freunden finden sich natürlich viele HSV-Anhänger. Und neben Werder zeigt das "Froggys" auch die Spiele des HSV. Wir machen dann immer auf gute Nachbarschaft und zeigen den HSV-Fans, dass wir auf Friedenspfeife und nicht auf Krawall aus sind – was auch erstaunlich gut funktioniert.
Ein besonderer Tag war für euch der 22. Mai 2021. Jener Tag, an dem Werder nach der 2:4-Niederlage gegen Gladbach in die 2. Liga abstieg.
Ja, gleich nach dem Abpfiff haben wir uns bei der Fanclub-Betreuung von Werder gemeldet, um uns offiziell eintragen zu lassen. Wir wollten damit ein Statement setzen, ein Zeichen des Supports und des Zusammenhalts in einer besonders schweren Zeit.
Immerhin gab es dank des Abstiegs seit Langem mal wieder Nordderbys. Wie habt ihr die Spiele gegen den HSV erlebt?
Die 0:2-Niederlage im Hinspiel haben wir mit 14 Leuten im "Froggys" geschaut, wo natürlich auch einige HSV Fans dabei waren. Da ging schon der ein oder andere blöde Spruch hin und her. Als Derby-Verlierer wurden wir auch nach dem Spiel ordentlich provoziert. Wir haben aber schnell kapiert, dass man die richtigen Leute der Gegenseite einfach auf ein Bier einladen muss. Danach ist die Stimmung ins Positive gekippt.
Beim 3:2-Sieg im Rückspiel waren wir mit zehn Fans im Volksparkstadion – es war ein fantastischer Tag: Die Sonne schien, wir haben uns schon morgens getroffen und ein tolles Spiel erlebt. Die Stimmung im Werder-Block war überragend. Nach dem Spiel sind wir ins "Froggys", wo wir auch ein paar HSV-Fans antrafen. Die Stimmung war aber super und unsere gemeinsame Hoffnung war, dass beide Klubs den Aufstieg schaffen, damit es mehr von diesen geilen Derbys gibt. Leider hat es dazu aber nicht gereicht.
Wenn wir mal aufs kommende Jahr schauen: Wohin geht die grün-weiße Reise? Sowohl für euren Fanclub als auch für Werder?
Aktuell arbeiten wir daran, dass unser Fanclub ein richtiger Verein mit klassischen Vereinsstrukturen wird – auch weil die WhatsApp-Gruppe, in der wir uns organisieren, explodiert. Wir wollen dann kleinere Events veranstalten – teils intern mit dem Fanclub, teils mit dem "Froggys" – und auch eigene Merchandise-Artikel herausbringen. Das Geld, das wir einnehmen, werden wir spenden. Die erste Spende soll an "Förde Lütten" gehen, einem Förderverein, den Ex-Werder-Spieler Fin Bartels ins Leben gerufen hat.
Für Werder hoffe ich auf einen einstelligen Tabellenplatz, das wäre ein Traum. Ich bin da ganz guter Dinge, das Team hinter der Mannschaft scheint gut zu harmonieren. Hoffentlich bleiben der gute Teamgeist und der Flow auch in der Rückrunde erhalten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 6. November 2022, 13:40 Uhr