Fragen & Antworten
Wieso viele Bremer lange auf Wohngeld warten müssen
Ein neues Gesetz, wenig Personal, Probleme mit Software: In Bremens Wohngeld-Stellen türmen sich unbearbeitete Wohngeld-Anträge. Schuld daran trägt laut Bauressort der Bund.
Thomas Schmidt hat genug. Der Student der Uni Bremen (der in Wahrheit anders heißt) hat nach eigenen Angaben inzwischen eine Klage beim Verwaltungsgericht Bremen wegen Untätigkeit der Wohngeldstelle eingereicht. Denn schon vor 15 Monaten habe er dort einen Folgeantrag auf Wohngeld gestellt. Geschehen sie seitdem aber nichts. Er sei lediglich immer wieder hingehalten worden, sagt der 25-Jährige.
Das fühlt sich nicht gut an. Es geht um Geld, darum, dass ich die Miete zahlen kann, darum, dass ich etwas im Kühlschrank habe, das ich essen kann.
Thomas Schmidt, 25-jähriger Student aus Bremen
Wie Schmidt haben zuletzt mehrere Bremerinnen und Bremer buten un binnen berichtet, dass ihre Wohngeldanträge nur sehr langsam bearbeitet würden – insbesondere seit Jahresbeginn, seit bundesweit ein neues Wohngeld-Gesetz greift.
Zwar bestreitet das Wohnungsbau-Ressort nicht, dass es Probleme gibt. Abteilungsleiter Arne Sünnemann beschreibt die Situation als "anspruchsvoll, angespannt und herausfordernd". Die Schuld daran sehen Stadt und Land Bremen allerdings nicht in den eigenen Behörden, sondern beim Bund. Denn der habe die Länder, Städte und Gemeinden mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz überrollt. Zu den Hintergründen:
Was bereitet den Behörden in Bremen und Bremerhaven bei der Bearbeitung von Wohngeldanträgen so große Probleme?
Besonders herausfordernd für die Behörden ist laut Sünnemann, dass der Bund die Wohngeld-Gesetzgebung seit 2020 jedes Jahr verändert hat. Seit Januar 2023, seit die neueste Novelle greift, haben zudem bundesweit mehr als dreimal so viele Haushalte Anspruch auf Wohngeld als zuvor. In der Stadt Bremen hat sich die Zahl der Neuanträge im Januar dieses Jahres im Vergleich zum Januar 2022 Sünnemann zufolge sogar versechsfacht: auf über 1.600.
Hinzu komme, dass die Wohngeldstellen infolge der neuen Gesetzgebung auch für alle alten Wohngeld-Haushalte neue Bescheide erstellen müssten, sagt Sünnemann. Probleme mit einem fehlgeschlagenen Update der Wohngeld-Berechnungs-Sofware des Bundes kamen zu Beginn des Jahres noch hinzu. Wochenlang konnten die Wohngeldstellen in Bremen und Bremerhaven, aber etwa auch im Saarland Wohngeldanträge kaum bearbeiten. Personelle Engpässe in den Behörden, etwa aufgrund von Krankheitsfällen, trugen ihr Übriges zur angespannten Lage bei.
Wie lange benötigen die Wohngeldstellen derzeit durchschnittlich, um Wohngeldanträge zu bearbeiten?
Das hängt offenbar maßgeblich von der Größe der betreffenden Städte ab. Je größer eine Stadt ist, desto mehr Wohngeldberechtigte leben dort, und desto länger kann die Bearbeitung dauern.
In Bremen dauert es laut Arne Sünnemann derzeit durchschnittlich etwa drei bis fünf Monate, ehe ein Neuantrag auf Wohngeld abgearbeitet ist. Ebenso lange dauert es im ähnlich großen fränkischen Nürnberg, wie Volker Wolfrum, Leiter des dortigen Sozialamts, mitteilt. In Leipzig habe die Bearbeitungsdauer im Februar dieses Jahres bei durchschnittlich 97 Tagen gelegen, teilt die Stadt mit.
In kleineren Städten sieht es besser aus. So werden in Bremerhaven Neuanträge derzeit in der Regel innerhalb von drei bis sechs Wochen bearbeitet, teilt Magistratssprecherin Laura Bohlmann mit. Auch in Oldenburg dauert die Bearbeitung der Neuanträge nach Angaben einer Sprecherin derzeit durchschnittlich etwa sechs Wochen.
Kann man diesen Angaben trauen? Immer mal wieder beschweren sich Betroffene im Land Bremen, dass es deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, bis sie ihre Bescheide erhielten, als von den Behörden angegeben. Woran liegt das?
Das kann unterschiedliche Gründe haben. Manchmal unterliefen Fehler in den Wohngeldstellen, räumt Sünnemann ein. Häufiger aber seien die eingehenden Anträge fehlerhaft oder unvollständig. "Das Wohngeld-Gesetz und die Beantragung ist extrem komplex", sagt er dazu. Entsprechend schwierig sei es, Wohngeld-Anträge korrekt auszufüllen. Leicht schlichen sich Fehler ein.
In der Folge ziehe sich die Bearbeitung der Anträge in die Länge, zumal die Behörden von Gesetzes wegen viele Nachweise verlangen und hinterlegen müsste. Von rund 8.000 noch abschließend zu bearbeitenden Wohngeld-Anträgen in der Stadt Bremen seien allerdings lediglich rund 30 Prozent älter als drei Monate.
Drei Monate sind viel zu lang für jemanden, der dringend Geld braucht. Was tut Bremen, um die Abläufe zu beschleunigen?
In erster Linie stockt Bremen hierzu seit Januar das Personal um 47 neue Stellen zur Bearbeitung von Wohngeld-Anträgen auf: "Wir gehen davon aus, dass bis zum 1. April alle da sind", sagt Sünnemann. Viele neue Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter hätten bereits ihre Arbeit aufgenommen, müssten allerdings noch weiter eingearbeitet werden.
Wie geht es anderen Städten und Kommunen? Fühlen die sich ebenso von der Wohngeld-Reform des Bundes überrollt wie Bremen?
Ja. Der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund haben daher in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Wohngeldgesetz unter anderem bereits ein pauschaliertes Basiswohngeld zur Sofortauszahlung als Zwischenlösung vorgeschlagen, damit Antragsteller schnell an Geld kommen. Außerdem regen sie den Verzicht auf verschiedene Plausibilitäts- und Unterhaltsprüfungen an, damit die Anträge schneller bearbeitet werden können. Schließlich fordern sie personelle Unterstützung für die Wohngeldstellen vom Bund.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. März 2023, 19.30 Uhr