Bremer Ernährungsberaterin räumt mit 9 Ernährungsmythen auf
Heute ist der "Tag der gesunden Ernährung". Was aber ist gesund, was nicht? Eine Bremer Ernährungsberaterin stellt richtig, was viele falsch gelernt haben.
Zum 26. Mal richtet der Verband für Ernährung und Diätetik heute den "Tag der gesunden Ernährung" aus. "Nachhaltige Ernährung: Regional, saisonal, fair, umweltschonend: gesund und lecker!" lautet das Motto. Doch schon zu der Frage, was überhaupt gesund ist, kursieren unterschiedliche Leitsätze. Einige sind zu einfach, andere veraltet, wieder welche sind schlicht falsch. Die Ernährungsberaterin Wiebke von Atens-Kahlenberg vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie klärt auf.
1 Kaffee entzieht dem Körper Wasser
Diese Aussage gelte als überholt, sagt von Atens-Kahlenberg. "Inzwischen weiß man, dass das Koffein zwar kurzzeitig die Nierenfunktion erhöht, aber auch, dass dieser Effekt schnell wieder nachlässt." Anders gesagt: Wer Kaffee trinkt, muss zwar anfangs eventuell kurzfristig auf Toilette gehen, danach aber nicht öfter als beim Genuss anderer Getränke auch.
Dennoch empfiehlt von Atens-Kahlenberg Erwachsenen, täglich nicht mehr als fünf bis sieben Tassen Kaffee zu trinken. Denn das Koffein wirke anregend und sei ungesund, wenn man es in großen Mengen zu sich nehme.
2 Salzstangen und Cola helfen gegen Durchfall
Leider nicht, sagt von Atens-Kahlenberg. Es sei eher umgekehrt so, dass der hohe Zuckergehalt in der Cola die Verdauungsprobleme noch verstärke. Auch die Salzstangen seien bei Durchfall nur bedingt hilfreich. Zwar enthielten sie viel Natrium. Es fehle ihnen aber an anderen Elektrolyten, die der Körper bei Durchfall ebenfalls verliere, beispielsweise an Kalium.
"Ich empfehle: Entweder eine Elektrolyt-Lösung aus der Apotheke. Oder man versucht es mit Zwieback und geriebenem Apfel, gerührter Banane und Reis." Trinken möge man dazu stilles Mineralwasser oder leicht gesüßten Tee.
3 Spinat und Pilze darf man nicht aufwärmen
Dieser Grundsatz stamme noch aus einer Zeit, zu der man Speisereste nicht einfach habe kühlen können, sagt von Atens-Kahlenberg: "Heute sagt man: Wenn ich diese Speisen nicht lange warmhalte, schnell herunterkühle, dann im Kühlschrank oder Tiefkühl-Fach aufbewahre und auch wieder schnell erwärme, dann ist das einmalige Aufwärmen kein Problem."
Wenn allerdings kleine Kinder mitessen, sollte Spinat kein zweites Mal erwärmt werden, schränkt von Atens-Kahlenberg ein.
4 Lieber viel Honig als wenig Zucker
"Unsinn", sagt von Atens-Kahlenberg und erklärt: "Honig besteht hauptsächlich aus Zucker, nämlich zu achtzig Prozent. Der Rest ist Wasser." Viel Honig zu essen, sei daher keine gute Alternative zu Zucker. Auch Honig könne in großen Mengen zu Übergewicht, Diabetes oder Karies führen.
Apropos Karies: "Für die Zähne ist Honig sogar noch schlechter als Zucker, weil er so stark klebt", sagt von Atens-Kahlenberg. Sie empfehle generell, Speisen nur wenig zu süßen: "Wenn man das beachtet, dann kann man auch Zucker nehmen."
5 Fett ist schädlich
Nein, so pauschal kann man das nicht sagen, stellt von Atens-Kahlenberg klar: "Fette sind wichtige Nährstoffe, sie liefern uns wichtige Fettsäuren", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Außerdem benötige der Körper Fette, um Vitamine aufnehmen zu können.
Allerdings ist Fett nicht gleich Fett. So rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) dazu, pflanzliche Fette den tierischen grundsätzlich vorzuziehen: "Das empfehlenswerteste Öl ist Rapsöl. Es hat eine gute Fettsäurezusammensetzung und beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor", erklärt von Atens-Kahlenberg.
Sie räumt allerdings ein, dass es auch gesunde tierische Fette gibt: "Fettreiche Fische wie Lachs sind aus gesundheitlicher Sicht durchaus empfehlenswert wegen ihrer Omega-3-Fettsäuren." Unter Aspekten des Umwelt- und Artenschutzes allerdings sei der Genuss von Fisch inzwischen problematisch. Die Meere seien überfischt, Fischzuchten seien ökologisch oftmals fragwürdig. Nachhaltig sei der Verzehr von Fisch daher nicht unbedingt.
6 Ein Schnaps nach dem Essen ist gut für die Verdauung
"Das stimmt gar nicht", sagt von Atens-Kahlenberg: "Man hat zwar vielleicht das Gefühl, weil Alkohol die Muskulatur des Magens entspannt. Aber Alkohol verzögert die Verdauung." Hinzu komme, dass hochprozentiger Alkohol, also Schnaps, die Magenschleimhaut reize.
Wer nach einem Getränk sucht, das die Verdauung fördert, dem empfiehlt von Atens-Kahlenberg Tee aus Fenchel, Anis oder Kümmel. Gut nach einem schweren Essen tue auch ein Spaziergang.
7 Weizen ist das ungesündeste Getreide
Auch diese Aussage sei falsch, sagt von Atens-Kahlenberg. Zwar gebe es Menschen, die Weizen etwa wegen einer Allergie nicht vertragen. Das im Regelfall größere Problem aber stelle der Produktionsprozess von industriell hergestelltem Broten dar. "Die haben häufig eine sehr kurze Gehzeit. Dadurch werden bestimmte Zucker im Getreide nicht richtig abgebaut." Das betreffe allerdings nicht nur den Weizen, sondern auch andere Getreidesorten. Die Ernährungswissenschaftlerin empfiehlt daher Brot aus handwerklicher Herstellung mit längeren Gehzeiten.
Auch möge man Vollkornprodukte bevorzugen: "Das müssen keine groben Körner sein, sie können ruhig fein vermahlen seien, aber die Schalenbestandteile sind wertvoll", so von Atens-Kahlenberg.
8 Kohlenhydrate machen dick
Ganz so einfach sei es nicht, sagt von Atens-Kahlenberg. Zwar sei Zucker ungesund und alles, was viel Zucker enthalte, egal ob Kuchen, Softdrinks oder Süßigkeiten. Wer davon zu viel zu sich nehme, laufe Gefahr, übergewichtig zu werden.
Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Gemüse und Vollkornprodukte lieferten dagegen gesunde komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe und andere Nährstoffe und seien durchaus gesund, könnten das Risiko für Übergewicht sogar senken. "Da muss man unterscheiden. Zucker ist eher ungesund und sollte nur in kleinen Mengen genossen werden. Komplexe Kohlenhydrate und Ballaststoffe sind dagegen positiv zu bewerten", fasst von Atens-Kahlenberg zusammen.
9 Margarine ist gesünder als Butter
Im Regelfall schon, aber nicht immer, sagt von Atens-Kahlenberg. Zwar bevorzuge die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Margarine gegenüber Butter, auch aus Klimaschutzgründen. "Man muss aber bei Margarine auch auf die Zutaten gucken", fügt von Atens-Kahlenberg hinzu: "Die Margarine sollte möglichst aus Rapsöl bestehen und kein Palmfett enthalten. Außerdem sollte auf der Zutatenliste nicht stehen: 'teilweise gehärtet'."
Denn bei der teilweisen Fetthärtung entstünden Transfettsäuren. Und diese erhöhten das Risiko für eine Fettstoffwechselstörung und damit für erhöhte Blutfettwerte. Davon abgesehen sagt von Atens-Kahlenberg: "Wenn ich nur ein bisschen Streichfett brauche und mich insgesamt ausgewogen ernähre, dann muss ich mir von niemandem die Butter vom Brot nehmen lassen." Denn Butter schmecke vielen einfach besser als Margarine.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 7. März 2023, 6:10 Uhr