Interview
So will die Bremer Polizei das Aktenproblem in den Griff kriegen
20.000 unbearbeitete Akten stapeln sich bei der Bremer Polizei. Doch was für Fälle stecken hinter den Akten? Und wie möchte die Polizei das Problem in den Griff kriegen?
Bei der Bremer Polizei stapeln sich die Akten bis in den Tausenderbereich. Eine Anfrage der CDU in der Bremischen Bürgerschaft hat ergeben, dass 20.000 Akten bei der Polizei unbearbeitet sind. Durch dieses Aktenproblem kommt die Polizei Bremen momentan auch bei anderen Strafdelikten nicht hinterher – wie etwa denen der Organisierten Kriminalität.
Petra Rump, Bremer Landesvorsitzende beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), erklärt, welche Probleme sich aus den Aktenstapeln ergeben.
Welche Fälle stecken in den Aktenbergen bei der Bremer Polizei?
Das ist der Fahrraddiebstahl, das ist mittlerweile aber auch der Einbruch. Es gibt zudem jede Menge Betrugsdelikte, etwa die ganzen Ebay-Betrügereien: Sie kaufen etwas bei mir, erhalten die Ware aber nicht, obwohl ich das Geld schon habe. Wenn man sich das anschaut, ist der Schaden beim einzelnen Ebay-Betrugsfall vielleicht gering, aber in der Masse sind das hohe Schadenssummen.
Nach welchen Kriterien werden die Fälle ausgesucht, die vorerst nicht bearbeitet werden?
Es gibt die Anweisung, dass die Fachdienststellen priorisieren sollen. Fälle, bei denen wenig oder keine Ermittlungsansätze vorhanden sind, landen nach einer ersten Bewertung auf der Halde. Nehmen wir etwa einen Stalking-Fall: Ich weiß nicht, wer mich ständig anruft – und ich kann auch die Nummer nicht erkennen. Da gibt es erstmal keinen Ermittlungsansatz.
Sie haben gesagt, dass im Kampf gegen den Aktenberg umstrukturiert wird. Das Personal fehle dann aber wieder an anderer Stelle.
Kolleginnen und Kollegen, die etwa Delikte des Menschenhandels bearbeiten sollen, müssen die Aktenhalde abarbeiten – und können so Menschenhandel-Fälle gar nicht mehr bearbeiten. Menschenhandel gehört zu den Kontrolldelikten, die in der Regel Delikte der Organisierten Kriminalität sind. Das wird gar nicht bearbeitet in Bremen. Wir haben da gerade wirklich ein offenes Feld für Organisierte Kriminalität. Das muss man mal so sagen.
Wir haben da gerade wirklich ein offenes Feld für Organisierte Kriminalität. Das muss man mal so sagen.
Petra Rump, Bremer Landesvorsitzende beim Bund Deutscher Kriminalbeamter
Welche Reaktionen bekommen Sie von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern?
Betroffene Bürger, deren Anzeigen auf der Aktenhalde liegen, machen sich schon Sorgen. Wenn man nach sechs oder neun Monaten und vielleicht auch nach einem Jahr wegen eines Delikts angerufen wird, das vor so langer Zeit begangen wurde, ist das schon verwunderlich. Da kann man sich doch kaum noch daran erinnern, man hat meistens den Schaden von der Versicherung bezahlt bekommen.
Aber nicht nur Bremerinnen und Bremer sind besorgt, auch bei Ihren Kolleginnen und Kollegen herrscht Frust?
Ja, der Frust ist groß. Wir haben einen ziemlich hohen Krankenstand. Die Ermittlerinnen und Ermittler sind eigentlich zur Polizei gegangen, weil sie Ermittlungen durchführen wollen. Gerade wenn man zur Kriminalpolizei geht, verschafft man sich für das Kommissariat, in dem man arbeitet, noch Zusatzwissen. Und wenn man dann nur noch Aktenverwalter ist, oder auch eingesetzt wird für ganz andere Deliktsbereiche, dann ist das schon frustrierend.
Sie begrüßen ausdrücklich die Initiative des Senats, mehr junge Leute im Polizeiberuf auszubilden. Was wünschen Sie sich außerdem?
Mein Wunsch wäre tatsächlich eine bessere technische Ausstattung. Bei den Werkzeugen zur Auswertung von Fällen wie etwa Programm hängen wir anderen Polizeien hinterher. Und ich wünsche mir, dass wir regelmäßig jüngere, motivierte Kolleginnen und Kollegen direkt aus dem Studium bei der Kriminalpolizei bekommen. Dass dieser Weg direkt in die Kriminalpolizei, zumindest einem gewissen Anteil an Studierenden ermöglicht wird.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 22. Februar 2023, 9:10 Uhr